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Loretta Chase

Loretta Chase

Titel: Loretta Chase
Autoren: Eine verführerisch unnahbare Lady
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geschweige denn an die
Farbe ihrer Augen.
    Nachdem
Lord Hargate lange vergeblich gewartet hatte, dass sein achtundzwanzigjähriger
Spross sich die Hörner abgestoßen oder zumindest eine irgendwie menschliche
Regung hätte erkennen lassen, entschied Seine Lordschaft, dass es an der Zeit
war einzugreifen.
    Er
beorderte Darius in sein Arbeitszimmer.
    Alle Söhne
Lord Hargates wussten, was eine solche Order bedeutete: Es bedeutete, dass »der
alte Herr es auf einen abgesehen hatte«, wie Rupert sagen würde.
    Doch Darius
betrat das von Alistair »die Inquisitionskammer« genannte Zimmer mit
demselben Habitus, mit dem er ans Rednerpult zu schreiten pflegte, um einen
wissenschaftlichen Vortrag zu halten: mit gestrafften Schultern, erhobenen
Hauptes und einem wachen Ausdruck streitlustiger Intelligenz in den goldbraunen
Augen. Voll der arroganten Selbstgewissheit stand er vor seines Vaters
Schreibtisch und erwiderte den väterlichen Blick unerschrocken. Alles andere
wäre fatal gewesen, wie selbst weniger intelligente Männer wussten, die mit
vier großen Brüdern aufgewachsen waren.
    Auch gab er
sich den Anschein, sich nicht um sein Äußeres bemüht zu haben, hätte dies doch
so ausgesehen, als versuche er, das Ungeheuer zu beschwichtigen. Tatsache war,
dass Darius stets sehr genau wusste, was er tat und welchen Eindruck er
erweckte.
    Gut
möglich, dass er sich nur einmal kurz mit der Bürste durch sein dichtes braunes
Haar gefahren war. Aber dem aufmerksamen Beobachter dürfte nicht entgehen, wie
vorteilhaft der Schnitt den von Natur aus goldenen Schimmer seines Haars
hervorhob, welches dank der unter freiem Himmel verbrachten Zeit – allzu oft
ohne Hut – mit
blond gebleichten Strähnen durchzogen war. Auch auf sein Gesicht mit den scharf
gemeißelten Zügen hatte die Sonne sich nicht nachteilig ausgewirkt. Ebenso
diente die täuschend schlicht gehaltene Kleidung sehr wirkungsvoll dazu, die
Aufmerksamkeit nicht von der kraftstrotzenden Gestalt darunter abzulenken.
Eigentlich sah er nicht wie ein Gelehrter aus. Er sah nicht einmal besonders
zivilisiert aus. Und das lag nicht allein an seinem kräftigen Wuchs und der
Ausstrahlung robuster Gesundheit, sondern an einer geradezu animalischen Kraft,
die von ihm ausging und die erahnen ließ, dass unter der Oberfläche etwas
Wildes, Ungezähmtes lauerte.
    Manch einer
– insbesondere Frauen – sahen in ihm weniger einen Gentleman als eine
Naturgewalt.
    Frauen
ließen sich entweder von ihm hinreißen oder verspürten den Wunsch, ihn zu
zähmen. Ebenso gut hätten sie versuchen
können, den Wind oder den Regen oder das Meer zu zähmen. Er nahm sich, was sie
ihm boten, und scherte sich nicht mehr um sie, als der Wind oder der Regen oder
das Meer es getan hätten.
    Und er
wüsste nicht, warum es anders sein sollte. Derlei Begegnungen waren doch per
definitionem flüchtiger Natur. Sie hatten keinen bleibenden Einfluss auf die
Gesellschaft, auf die Landwirtschaft oder auf irgendetwas von Bedeutung.
    Sein Vater
war da ganz anderer Ansicht, wie er ihm unmissverständlich zu verstehen gab.
Ein derart liederlicher Lebenswandel sei gewöhnlich, sagte er, geradezu vulgär,
und die schiere Zahl seiner Gespielinnen lasse Darius langsam, aber sicher in
Konkurrenz treten zu jenen untätigen – ja, unfähigen - Vertretern seines
Standes, die nichts Besseres mit ihrem Leben anzufangen wüssten.
    So ging es
noch eine Weile weiter, in jenem erbarmungslosen Stil, der Lord Hargate zu
einem der gefürchtetsten Rednern im Parlament gemacht hatte.
    Sein
Verstand sagte Darius, dass diese Rede lediglich eine der Logik zuwiderlaufende
Litanei sei. Dennoch trafen ihn die Worte schmerzlich, was, wie er wusste, Ziel
und Zweck dieser Rede war. Der rationale Mensch indes ließ sich in seinem
Handeln auch im Angesicht äußerster Provokation nicht von seinen Gefühlen
leiten. Wenn sein Vergehen darin bestand, sich nicht von seinen Emotionen
beherrschen zu lassen, sei's drum. Er hatte vor langer Zeit schon gelernt, dass
kühle Logik und Distanz machtvolle Waffen waren, die zudringliche
Familienmitglieder davon abhielten, einen kraft ihrer Persönlichkeit zu
überwältigen, einen vor Manipulation insbesondere von weiblicher Seite
bewahrten und einem Respekt einbrachten – zumindest in Gelehrtenkreisen.
    Und so
revanchierte Darius sich mit der enervierendsten Erwiderung, die ihm auf die
Schnelle einfiel: »Bei allem Respekt, Sir, doch leider erschließt sich mir
nicht, was Gefühle mit den von Ihnen
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