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Lord Stonevilles Geheimnis

Lord Stonevilles Geheimnis

Titel: Lord Stonevilles Geheimnis
Autoren: Sabrina Jeffries
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das Gebäude. »Da kannst du nicht hinein! Das ist kein Ort für ehrbare Frauen.«
      »Das sehe ich.« Maria fröstelte in ihrer schwarzen Redingote, als ein kalter Windstoß durch die Straße fegte. »Allem Anschein nach handelt es sich um ein Bordell.«
      »Mopsy!« Freddys Wangen leuchteten so rot wie sein völlig zerzaustes Haar. »Du darfst solche Worte nicht in den Mund nehmen!«
      »Warum? Wir wissen doch beide, dass Papa jeden Samstagabend in ein derartiges Etablissement gegangen ist.« Sie wendete sich ihm zu. »Warum gehst du nicht hinein? Ein Mann fällt dort nicht auf. Such einfach die Tasche, und sieh nach, ob es Nathans ist.«
      »Und wenn ja, was mache ich dann?«
      »Dann lockst du den Mann unter einem Vorwand hierher, damit ich mit ihm reden kann. Sag ihm, seine Mutter wartet draußen, und wenn er nicht herauskommt, kommt sie hinein. Das würde keinem jungen Mann gefallen.«
      Als Freddy sie skeptisch ansah, seufzte sie. »Wenn du tust, was ich sage, kaufe ich dir so viele Pasteten, wie du willst.«
      »Na gut.« Er zog sein Schwert aus der Scheide und gab es ihr. »Am besten behältst du es solange. Du solltest nicht wehrlos auf der Straße herumstehen.«
      Dass er sein heiß geliebtes Schwert auch nur für einen Augenblick aus der Hand gab, rührte Maria. »Vielen Dank.« Sie gab ihm einen Schubs. »Und nun finde schnell heraus, ob es Nathans Tasche ist!«
      Freddy ging seufzend die Stufen zum Eingang hoch. Um nicht aufzufallen, versteckte sich Maria in einer dunklen Ecke. Als sie Freddy zögern sah, bevor er das Haus betrat, hätte sie beinahe gelacht. Jeder andere Kerl in seinem Alter brannte vermutlich darauf, einmal ein Bordell zu besuchen, aber Freddy hatte nichts anderes im Kopf als Essen. Doch wie viel er auch in sich hineinstopfte, er blieb dünn wie eine Bohnenstange. Wenn sie hingegen ihren Tee auch nur eine Woche lang mit Zucker trank, drohte sie gleich, aus ihrem Mieder zu platzen. Es war ungerecht!
      Aber das Leben war Frauen gegenüber generell ungerecht. Wäre sie ein Mann, hätte ihr Vater ihr das ganze Unternehmen vermacht, und er hätte niemanden von außerhalb hinzuholen müssen.
      Nicht dass sie Nathan nicht mochte. Er war gescheit und sah gut aus, und um einen Ehemann wie ihn zu ergattern, wären die meisten Frauen wohl über glühende Kohlen gelaufen. Außerdem hatte sie kaum Aussichten, einen anderen guten Mann in Dartmouth zu finden. In dem kleinen Fischerstädtchen gab es nur eine Handvoll gebildete ledige Männer, und Papas Herkunft und seine bewegte Vergangenheit machten es ihr unmöglich, einen echten Gentleman zu ehelichen.
      Manchmal fragte sie sich, ob Nathan es überhaupt in Erwägung gezogen hätte, sie zur Frau zu nehmen, wenn sie nicht die Tochter des Eigentümers von New Bedford Ships wäre.
      Nein, das war ungerecht. Nathan hatte sich ihr gegenüber immer äußerst liebenswürdig verhalten. Er konnte nichts dafür, dass die wenigen Küsse, die sie bisher getauscht hatten, alles andere als überwältigend gewesen waren. Sie hatte bestimmt etwas falsch gemacht – oder zu viel erwartet.
      Vielleicht hatte Papa recht. Vermutlich las sie tatsächlich zu viele Schauerromane von Minerva Sharpe. Im Grunde genommen konnte kein Mann so charmant sein wie Graf Churchgrove oder so heldenhaft wie der Herzog von Wolfplain. Und schon gar nicht so faszinierend wie der niederträchtige Marquess von Rockton.
      Sie runzelte die Stirn. Wie konnte sie nur in einer solchen Situation an Rockton denken? Schlimm genug, dass sie sich insgeheim gefreut hatte, als er der Gerichtsbarkeit am Ende des Romans entkommen war. Dass ihr ein gefährlicher Schurke wie er in den Sinn kam, obwohl sie an nichts anderes denken sollte als an Nathan, war äußerst beunruhigend.
      Vielleicht war sie keine normale Frau. Sie hatte auf jeden Fall eine sehr viel direktere und resolutere Art als die meisten Frauen, die sie kannte. Und sie las schrecklich gern Geschichten über Mord und Totschlag. Das sei unnatürlich, hatte Papa immer gesagt.
      Ihr entfuhr ein Seufzer. Es stimmte schon, dass andere Damen sich weitaus weniger für die Geschichten der Männer aus dem Unabhängigkeitskrieg interessierten und nicht jeden Zeitungsartikel über finstere Verbrechen so eifrig studierten, wie sie es tat. Im Unterschied zu ihr träumten sie nicht davon, einmal einen geheimnisvollen Mord aufzuklären.
      Als plötzlich jemand »Achtung! Haltet den Dieb!« rief, schreckte sie aus ihren
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