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Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes

Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes

Titel: Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes
Autoren: Dorothy L. Sayers
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er uns erzählt habe, und wolle sich in der Harley Street eine Praxis einrichten. Da könne er keinen Skandal brauchen.«
    »Ich habe den Kerl ja nie gemocht. Tut mir leid für Schwester Philliter.«
    »Nicht nötig. Da bin ich auch wieder mal ins Fettnäpfchen getreten. Carr ist jetzt zu fein heraus, um eine kleine Krankenschwester zu heiraten – das dürfte meiner Ansicht nach jedenfalls der Grund sein. Die Verlobung ist nämlich gelöst.
    Und ich hatte mich so an dem Gedanken gefreut, für zwei junge Menschen, die es verdienten, ein bißchen Vorsehung spielen zu dürfen«, fügte Wimsey pathetisch hinzu.
    »Ach ja! Das Mädchen ist jedenfalls noch einmal davongekommen. Hoppla, das Telefon! Wer in aller Welt …? Da muß etwas im Yard los sein. Um drei Uhr in der Frühe! Polizist müßte man sein! – Ja? Ach! – Gut, ich komme. Der Fall ist im Eimer, Peter.«
    »Wie denn das?«
    »Selbstmord. Sie hat sich an einem Bettlaken erhängt. Ich glaube, ich sollte mal hingehen.«
    »Ich komme mit.«
    »Wenn es je ein böses Weib gab, dann war sie es«, sagte Parker leise, als sie vor dem starren Körper standen und das geschwollene Gesicht und den tiefroten Ring um den Hals ansahen.
    Wimsey sagte nichts. Er fror, und ihm war elend zumute.
    Während Parker und der Gefängnisdirektor die notwendigen Formalitäten erledigten und noch über den Fall sprachen, saß er zusammengesunken wie ein Häuflein Unglück auf seinem Stuhl. Endlos tönten ihre Stimmen an ihm vorbei. Es hatte längst sechs geschlagen, als sie endlich gingen. Es erinnerte ihn an die acht Schläge der Uhr, die das Hissen der unseligen schwarzen Flagge ankündigten.
    Das Tor öffnete sich geräuschvoll, um sie hinauszulassen, und sie traten in eine trübe, beängstigende Dunkelheit. Der Junitag war schon lange angebrochen, doch nur ein bleicher, gelblicher Schimmer drang in die halbverlassenen Straßen. Es war bitterkalt, und es regnete.
    »Was ist das nur für ein Tag?« meinte Wimsey. »Weltuntergang?«
    »Nein«, sagte Parker. »Nur eine Sonnenfinsternis.«

ÜBER DOROTHY L. SAYERS (1893-1957)
    Ich bin in Oxford geboren, im vierten Jahr vor Queen Victorias diamantenem Jubiläum. Mein Vater war damals Headmaster der Schule des Domchors, wo es zu seinen Pflichten gehörte, kleine Teufel mit Engelsstimmen in den Grundlagen des Lateinischen zu unterrichten. Als ich viereinhalb Jahre alt war, erhielt er die Pfarre von Bluntishamcum-Earith, in Huntingdonshire – eine einsame Landgemeinde, die einer der alten Häfen oder Brücken der Isle of Ely war und zu der bis heute die Wälle eines römischen Lagers gehören. Ich erinnere mich sehr gut an die Ankunft im Pfarrhaus, ich hatte einen langen braunen Mantel und eine mit Federn besetzte Mütze an und war vom Kindermädchen und einer unverheirateten Tante begleitet, die einen Papagei im Käfig trug. Das Kind, dessen gelehrter Vater der Sechsjährigen den ersten Lateinunterricht erteilte, hieß Dorothy L. Sayers. Das L. steht für Leigh, den Mädchennamen der Mutter und war ihr ein wichtiger Teil des Namens, der millionenfach auf Buchtiteln verbreitet werden sollte. Sie war nicht die erste berühmte Schriftstellerin, die in einem englischen Pfarrhaus heranwuchs, dessen Fortwirken in den Eigenheiten ihrer Person ebenso wahrnehmbar ist wie in ihrer Bildung, ihren Interessen und ihren Büchern.
    Vielleicht ist der milde Pfarrer Venables in The Nine Tailors (1934) ein Abbild des Vaters, gewiß aber ist die weite Landschaft, die das Buch schildert, die Landschaft ihrer Kindheit, so wie das Frauencollege in Gaudy Night (1935) die Züge des Somerville College zu Oxford trägt, in das Dorothy L. Sayers 1912 eintrat. Sie war wohlgerüstet, vortrefflich im Lateinischen und Französischen, gut im Deutschen, musikalisch und mit poetischem Sinn begabt, von dem frühe, jetzt rar gewordene Gedichte zeugen; sie haben eine theologische Substanz, die lebenslang wirksam bleibt. Die Aneignung des damals noch geforderten Griechischen machte ihr keine Schwierigkeiten, das durch ein Stipendium ermöglichte Studium galt der Romanistik; sie schloß es als eine der ersten Frauen mit einem akademischen Grad ab. Damit war die Grundlage gelegt einer beständig bewahrten Neigung zur Literatur und zu den philologischen und historischen Wissenschaften, von denen nicht nur Essay-Bände wie Unpopular Opinions (1946) und The Poetry of Search and the Poetry of Statement (posthum 1963) Zeugnis geben, sondern auch ihre Untersuchungen über Dante (1954
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