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Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes

Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes

Titel: Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes
Autoren: Dorothy L. Sayers
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stießen sie auf. Sie öffnete sich nur einen Fußbreit. Etwas Schweres lag im Weg. Sie stießen kräftig nach, und das Hindernis wich. Wimsey sprang darüber – es war ein großer Schrank, der umgekippt war. Porzellanscherben übersäten den Fußboden. Das Zimmer zeigte Spuren eines heftigen Kampfes – umgeworfene Tische, ein zerbrochener Stuhl, eine zerschmetterte Lampe. Wimsey sprang zur Schlafzimmertür, Parker ihm dicht auf den Fersen.
    Auf dem Bett lag der reglose Körper einer Frau. Ihre grauen Haare bedeckten in feuchten Strähnen das Kissen, und an ihrem Kopf und Hals klebte Blut. Aber noch mehr Blut strömte nach, und Wimsey hätte vor Freude laut aufschreien mögen, denn Tote pflegen nicht zu bluten.
    Parker warf nur einen kurzen Blick auf die verletzte Frau.
    Mit einem Satz war er im angrenzenden Ankleideraum. Ein Schuß pfiff dicht an seinem Kopf vorbei – dann ein Fauchen und Kreischen – und der Spuk war vorüber. Der Wachtmeister stand da und schüttelte seine gebissene Hand, während Parker die Frau in den Polizeigriff nahm. Er erkannte sie sogleich, obwohl ihre wasserstoffblonde Perücke verrutscht war und Schreck und Wut ihre blauen Augen verfinsterten.
    »So, das wär’s«, sagte Parker ruhig. »Das Spiel ist aus. Jetzt kann Ihnen nichts mehr helfen. Kommen Sie, seien Sie vernünftig. Sie wollen doch nicht, daß wir Ihnen Handschellen anlegen, oder? Mary Whittaker alias Forrest, ich verhafte Sie wegen –« Er zögerte eine Sekunde, und sie bemerkte es.
    »Weswegen? Was können Sie mir denn vorwerfen?«
    »Für den Anfang genügt der Mordversuch an dieser Dame dort«, sagte Parker.
    »Diese Idiotin!« sagte sie verächtlich. »Drängt sich hier herein und greift mich an. Ist das alles?«
    »Höchstwahrscheinlich nicht«, sagte Parker. »Ich muß Sie darüber belehren, daß alles, was Sie sagen, protokolliert wird und vor Gericht gegen Sie verwendet werden kann.«
    Tatsächlich hatte der dritte Beamte bereits sein Notizbuch gezückt und schrieb gleichmütig: »Nach Mitteilung des Verhaftungsgrundes fragte die Gefangene: ›Ist das alles?‹« Die Bemerkung mußte ihm höchst unüberlegt vorkommen, denn er leckte mit zufriedener Miene seinen Bleistift an.
    »Ist mit dieser Frau alles in Ordnung – wer ist sie überhaupt?« fragte Parker, um sich wieder einen Überblick über die Situation zu verschaffen.
    »Es ist Miss Climpson – weiß der Himmel, wie sie hierhergekommen ist. Ich glaube nicht, daß ihr etwas fehlt, aber sie muß Schreckliches durchgemacht haben.«
    Während er sprach, wusch er ihr behutsam mit einem Schwamm den Kopf ab, und in diesem Augenblick schlug sie die Augen auf.
    »Hilfe!« sagte Miss Climpson verwirrt. »Die Spritze – Sie dürfen das nicht – oh!« Sie versuchte sich schwach zu wehren, dann erkannte sie Wimseys besorgtes Gesicht. »Ach du meine Güte!« rief sie. »Lord Peter! So ein Theater. Haben Sie meinen Brief bekommen? Ist alles in Ordnung? … O mein Gott! Wie sehe ich aus! Ich – diese Frau –«
    »Nur nicht aufregen, Miss Climpson«, sagte Wimsey voller Erleichterung, »alles ist wieder gut, aber Sie dürfen jetzt nicht reden. Sie müssen uns später alles erzählen.«
    »Was habe ich da gehört, von wegen Spritze?« fragte Parker, der sich nicht von seinem Fall abbringen ließ.
    »Sie hatte eine Spritze in der Hand«, keuchte Miss Climpson, indem sie sich aufzusetzen versuchte und mit den Händen übers Bett tastete. »Ich bin in Ohnmacht gefallen, glaube ich – dieser Kampf! –, und mich hat etwas am Kopf getroffen. Dann ist sie mit dem Ding auf mich zugekommen – ich hab’s ihr aus der Hand geschlagen, und was dann passiert ist, weiß ich nicht mehr. Aber ich bin doch erstaunlich zäh, nicht?« meinte sie fröhlich. »Wie mein lieber Vater immer gesagt hat, die Climpsons sind so leicht nicht umzubringen!«
    Parker suchte auf dem Fußboden herum. »Da haben wir sie ja«, sagte er. In der Hand hielt er eine Injektionsspritze.
    »Die Frau ist verrückt, das ist alles«, sagte die Gefangene.
    »Das ist nur die Spritze, die ich immer benutze, wenn ich meine Neuralgie bekomme. Da ist doch überhaupt nichts drin.«
    »Völlig richtig«, sagte Parker, wobei er Wimsey bedeutungsvoll zunickte. »Es ist – überhaupt nichts drin.«
    Am Dienstag abend, nachdem gegen die Gefangene Anzeige wegen Mordes an Bertha Gotobed und Vera Findlater und wegen versuchten Mordes an Alexandra Climpson erstattet war, saßen Wimsey und Parker zusammen beim Abendessen.
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