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Lohn des Todes

Titel: Lohn des Todes
Autoren: Ulrike Renk
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»Holt einen Tierarzt«, bat ich verzweifelt.
    »Der Mann lebt noch!«, rief HG Huhn.
    »Ich habe den Schlüssel!« Robert stürmte heran, blieb vor dem herausgerissenen Gitter stehen, starrte in die Kapelle. Sein
     Gesicht wirkte bleich.
    |272| Zu Kluge zu schauen brachte ich nicht über mich. Hektische Betriebsamkeit entwickelte sich. Irgendwann zog mich jemand zur
     Seite. Alles verschwamm und verwischte.
     
    »Conny? Hörst du mich?« Ich hörte Robert, konnte aber meine Augen nicht öffnen.
    »Sie schläft noch, und das ist auch gut so. Alle Werte sind stabil. Sie hat eine Gehirnerschütterung, die Wunden sind nicht
     lebensbedrohend. Sie braucht viel Ruhe, dann wird es schon wieder.« Die Stimme klang gelassen und zuversichtlich. Ich ließ
     mich wieder fallen, entschwand in die Tiefen meines Unterbewusstseins.
    »Frühstück.« Die Stimme trällerte nicht, sie klang noch nicht einmal freundlich. Scheppernd wurde das Tablett auf den kleinen
     Tisch neben meinem Bett abgestellt.
    Mühsam öffnete ich die Augen. Ich war in einem Krankenhaus irgendwo in der Eifel, wurde mir bewusst. Doch seit wann? Welcher
     Tag war heute, und wie viel Uhr war es? Vor dem Fenster zeigte sich das schüchterne erste Dämmerlicht des Tages. Die Schwester
     war inzwischen wieder gegangen, hatte jedoch die Tür zum Flur aufstehen lassen. Die üblichen Krankenhausgeräusche drangen
     zu mir, verstärkt durch das Klappern von Geschirr. Auf dem Nachttisch neben meinem Bett lag meine Uhr, daneben eine Schnabeltasse.
    Grundgütiger, dachte ich entsetzt, eine Schnabeltasse. Hoffentlich haben sie dir keine Windeln angezogen, Conny. Ich griff
     nach der Uhr. Halb sechs morgens. Eine unchristliche Zeit, um zu frühstücken. Hunger verspürte ich keinen, also drehte ich
     mich zur Seite, versuchte wieder in den Schlaf zu kommen.
    »Guten Morgen.« Jemand knipste die grellen Neonröhren an, die Decke schien zu strahlen. Ich kniff die Augen zusammen. Mehr
     als zehn Minuten hatte ich nicht gedöst.
    »Ich muss putzen.« Die Frau schob einen Wagen mit Eimer und Schrubber herein. »Haben Sie gut geschlafen?«, fragte sie gutgelaunt.
    |273| Ich grunzte in mein Kissen, das konnte doch nicht wahr sein.
    »Es dauert nicht lange, ich muss nur durchwischen.« Eifrig fuhr sie mit dem Mopp über den Linoleumboden. Neben meinem Bett
     blieb sie stehen. »Sie haben ja noch nicht gefrühstückt. Ihr Tee wird doch kalt, und gleich wird abgeräumt.« Die Frau schüttelte
     den Kopf.
    Mit einem gräulichen Lappen wischte sie über die Ablagefläche des Krankenhausnachttisches. Der Lappen sah so aus, als würde
     er unzählige Keime beherbergen. Mit einem Griff hob sie mein Frühstückstablett an, wischte darunter, stellte es wieder ab.
     Wenn sie jetzt noch mit dem Lappen durch die Tasse wischt, würde ich aufstehen und gehen, dachte ich. Und das Krankenhaus
     verklagen.
    Ein paar Stunden später war mein Bett neu bezogen, ich hatte endlich geduscht, und die Visite stand an. Nach ein paar Tagen
     im Krankenhaus fühlte ich mich elender als vorher, so erschien es mir. Die Kopfschmerzen hatten nachgelassen. Bis auf ein
     paar Narben, würde ich keine Folgen davon tragen. Doch diese Narben würden verblassen. Als die Tür sich wieder öffnete, wollte
     ich mich unter meine Decke verziehen. Temperatur war gemessen worden. Was wollten sie jetzt? Doch es war keine Schwester,
     die den Raum betrat, sondern Martin. Er blieb zögernd an der Tür stehen, kam dann zu mir. Obwohl er jeden Tag wenigstens kurz
     hier gewesen war, hatten wir noch nicht länger miteinander gesprochen.
    »Conny? Wie geht es dir?« Martin zog sich den Stuhl heran, setzte sich neben das Bett. Keine Umarmung, kein Kuss, keine Berührung.
     Mein Brustkorb zog sich zusammen. Hatte Maria die Zeit genutzt? In den ersten Tagen im Krankenhaus fand ich es schwer, zwischen
     Wachsein und Traum zu unterscheiden. Mich jagten grauenvolle Bilder von gequälten Personen. Außerdem hatte ich vor einem halben
     Jahr auch schon im Krankenhaus gelegen. Danach hatte ich mich verändert. Diesmal war mein persönliches Trauma nicht so schlimm,
     aber konnte Martin das wissen? Vielleicht befürchtete er eine |274| Wiederholung der Situation von damals. Es wurde Zeit, dass wir miteinander redeten, aber ich wusste nicht, wie ich anfangen
     sollte.
    »Wie geht es Charlie?«, fragte ich leise. Nach der Erstversorgung war mein Hund in eine Tierklinik gebracht worden.
    »Gut. Sehr gut. Eine Hündin wurde gestern in die
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