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Loewenstern

Loewenstern

Titel: Loewenstern
Autoren: Adolf Muschg
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fünf wirklich gesetzt.
    Fast eine Klassenzusammenkunft, lächelte Dawydow. – Auch wir waren Kadetten, zwei Jahre unter Ihnen – wenn man zwölf ist, sind das Jahrhunderte! Eine andere Welt!
    Die Herren erinnern sich nicht an uns, sagte Chwostow.
    Wo wohnen Sie? fragte Rikord.
    Bei unserem Generalkonsul, antwortete Dawydow. – Franzose, emigriert. War in Pelzen, bevor er in Tee machte, und kann seine Schäfchen kaum noch zählen. Wir logieren ganz komfortabel.
    Wir haben aber auch am Schwedischen Krieg teilgenommen, warf Chwostow ein.
    Mit Auszeichnung, das ist bekannt, sagte Rikord höflich. – Jetzt arbeiten Sie für die Compagnie?
    Ist das eine Schande? fragte Chwostow.
    Das sagt kein Mensch, beschwichtigte Dawydow. – Es fügte sich so, zu unserem Glück. Chwostow heißt Nikolaj, wie Resanow. Es war Liebe auf den ersten Blick.
    Er übertreibt, sagte Chwostow, aber er ist ein Dichter. Er wird größer als Puschkin.
    Dawydow gab ihm einen Klaps aufs Knie. – Und du bist der Ungereimte. Er spricht durch Taten. Blut geschwitzt hat er allerdings, Pjotr Petrowitsch, als er seinen Vater aus den Mühlen der Justiz retten mußte.
    Sie sind ein guter Sohn, das habe ich gehört, sagte Golownin, und zu Chlebnikow: Aber was machen die Spieler ohne dich, Kolja?
    Da sie mit meinem Geld spielen, gewinnen sie hoffentlich einmal, sagte Chlebnikow. – Fünftausend habe ich ihnen abgenommen. Das ging mir selbst zu weit.
    Wenn Sie bei Frauen soviel Glück haben, sind Sie der ideale Schwiegersohn, neckte Rikord.
    Es ist das eine
oder
das andere, antwortete Chlebnikow düster, das hat mir eine Zigeunerin verkündet. Huren kann ich mir leisten, aber eine Frau – die wäre arm dran.
    Aber du bist doch verlobt, Kolja, sagte Golownin.
    Dachte ich auch, sagte Chlebnikow. – Aber man kann nicht alles haben.
    Wenn es nur an der Morgengabe fehlt, wären Sie bei uns goldrichtig, erklärte Chwostow. – Von Nunalaska kehrt man als gemachter Mann zurück – oder gar nicht.
    Als Chlebnikow verstummte, fragte Golownin: Warum müssen Sie durch Sibirien
wandern
? Japan ist eine Insel. Wenn Sie es stürmen wollen, wären Schiffe das Mittel der Wahl.
    Darf ich den Herren dein Geheimnis verraten? fragte Chwostow den Freund.
    Lieber, das sage ich schon selbst, sagte Dawydow. – Nach Japan zieht mich nichts. Ich will an den kältesten Ort der Welt. Wo es zu kalt ist für Eis. Der Schnee fällt und liegt wie Mehlstaub. Die Wangen blähen sich zu Wärmbeuteln. Erst in drei Metern Tiefe ist Wasser flüssig genug für Fische. Aber wenn man sie an die Luft zieht, gefrieren sie sofort.
    Und wenn du ein Pferd schlachtest, grinste Chwostow, wird es gleich so steif, daß das Fleisch nur scheibchenweise abgeht.
    Pferdefleisch! das sei ferne von mir! sagte Dawydow schaudernd.
    Weil du es gar nicht kauen könntest, grinste Chwostow. – Mußt es dir im Mund zergehen lassen. Dann merkst du gar nicht mehr, daß es roh ist. – Dawydow sucht
das Absolute!
    Da kann man ja nur viel Glück wünschen, sagte Rikord. – Was
ich
mal erleben möchte, ist die erste russische Weltumsegelung. Wir hinken nach wie immer.
    Aber wer kommt um Rußland herum? fragte Chlebnikow. – Auch Cook und La Pérouse mußten unsere Häfen anlaufen. Und mit Alexander ist
alles
möglich.
    Leider, sagte Rikord.
    Wofür heißt er Alexander, lächelte Dawydow, wenn nicht, um den Orient zu erobern? Wir müssen erwerben, was wir besitzen!
    Wozu muß immer erworben und besessen sein? fragte Rikord.
    Weil nicht jeder mit dem Silberlöffel im Mund geboren wird, Pjotr Petrowitsch, sagte Chwostow.
    Manche, sagte Chlebnikow, müssen die Zähne zusammenbeißen und wundern sich, wenn sie nichts dazwischenkriegen.
    Deswegen brauchen sie nicht gleich hungrige Wölfe zu werden, entgegnete Rikord. – Aber die sehen immer noch menschlicher aus als Jäger, die nur das Maul aufreißen.
    An
einem
Duell war es für heute genug, Petja, mahnte Golownin.
    Was ist eigentlich von diesem Moor zu halten? lenkte Dawydow ab.
    Mit dem werden wir heute nicht mehr fertig, dröhnte Chlebnikow, Herr Moor ist einzig auf der Welt! Er weiß nicht nur alles,sondern alles besser. Und jetzt bitte ich um Entschuldigung – mein Geld schreit nach mir. Es will den Stümpern wieder abgenommen sein.
    Als er aufstand, fand auch Dawydow, für ihn und Chwostow sei es für heute genug. Der Konsul erwarte sie zum Schlummertrunk.
    Tee, sagte Chwostow geringschätzig, aber hatte sich folgsam erhoben. – Wenn er noch japanesisch wäre!
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