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Loewenmutter

Loewenmutter

Titel: Loewenmutter
Autoren: Esma Abdelhamid
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eine Frau und eine Familie zu sorgen?« – »Ich verdiene zehnmal so viele Dinare im Monat wie mein Bruder auf dem Sozialamt.« – »Hast du ein Bankkonto?« – »Eines in Deutschland und eines in Tunesien.« – »Hast du ein Haus gebaut?« – »Sobald ich einen Ehevertrag in der Tasche habe, werde ich in der besten Straße von Hamburg eine Vierzimmerwohnung mit Küche und Bad mieten.« – »Wirst du deine Kinder in Deutschland muslimisch erziehen?« – »Ja, ich will eine anständige Familie gründen.«
    Das Frage-und-Antwort-Spiel zwischen dem potenziellen Bräutigam und seinem Schwiegervater gefiel den Männern. Sie tranken Tee, tunkten gebackenes Fladenbrot in Olivenöl und wischten ihre Finger an weißen Servietten ab. Immer wenn es darum ging, seinen Bruder zu loben, meldete sich Mahmoud zu Wort: Abdullah würde viel Geld nach Hause schicken und nie ohne ein Bündel Scheine in der Hosentasche kommen. Seit er fortgezogen sei, unterstütze er die Familie in Tunesien. Man werde demnächst anfangen, ein Haus von seinem Geld zu bauen.
    »Ich habe Esma im Büro ihrer Schwester auf dem Sozialamt gesehen und sofort gewusst, dass sie die Richtige für meinen Bruder ist.« – »Warum?« – »Weil sie so zahm ist.« Abdullah nickte dazu und spielte mit seiner vergoldeten Uhr, die er vom Handgelenk gezogen und auf den Tisch gelegt hatte. Überhaupt spielte er ganz den Weltläufigen. Um seinen Hals hing ein feines goldenes Kettchen, ein europäisches Hemd mit großen orange- und braunfarbenen Kringeln trug er und ein blaues Sakko, das ihm fast bis an die Kniekehlen reichte.
    »Richtest du die Hochzeit aus?«, fragte der Vater nach einer Stunde. »Ja.« Kurz und klar. Dann klopften sich die Männer auf die Schultern. »Ich geb sie dir als Ehefrau, aber behandle sie gut! Wenn du sie nicht mehr haben willst, dann bring sie mir wieder.« Und nach einer Pause: »Aber gesund.« – »Ich werde sie nicht wieder hergeben.« – »Es geht mir nicht um Geld und Geschäfte, ich will meine Tochter in gute Hände geben. Bei meiner Ehre.« – »Was aus deinem Haus kommt, ist wertvoller als alle Schätze der Welt, ich werde sie dir nicht wiederbringen«, entgegnete Abdullah. – »Wenn sie nicht gut genug für dich ist, nehme ich sie wieder«, wiederholte der Vater.
    Es war beschlossen, man rief die Mutter aus der Küche, sie brachte neuen Tee, schwieg und reichte den beiden jungen Männern die Hand. Abdullah stieß mit seinem zukünftigen Schwiegervater an, ohne dass er seine Braut je gesehen hatte. »Vater«, sagte er zu ihm und beugte sich über das Tischchen. »In zehn Tagen muss ich zurück nach Hamburg, lass uns gleich die Termine ausmachen.« Und dann erklärte er dem Vater etwas, was ich lange nicht verstanden habe: Dass er den Ehevertrag aus finanziellen Überlegungen heraus sofort abschließen wolle. Mit den entsprechenden Papieren im Gepäck würde er in Deutschland weniger Steuern bezahlen müssen.
    Abdullah drängte darauf, wenigstens die standesamtliche Hochzeit noch in derselben Woche zu arrangieren. Je schneller, desto besser. Ohne viel Tamtam, die echte Hochzeit habe ja dann Zeit. Es war Montag, man würde einen Notar für Samstag bestellen und dann im kleinen Kreis, mit seiner und meiner Familie, die Verträge unterschreiben und feiern. »In Deutschland will ich dann die notwendigen Papiere für Esma besorgen, Aufenthaltsbewilligung und Ausweis.« – »Und die echte Hochzeitsfeier?«, fragte der Vater. »Machen wir nächstes Jahr im Sommer, wenn ich wieder auf Urlaub da bin«, erwiderte Abdullah, »dann haben wir genug Zeit für eine richtige Hochzeit.«
    Traditionell wird der Ehevertrag in Tunesien am ersten Tag einer siebentägigen Hochzeitsfeier unterschrieben, aber Abdullah wollte den notariellen Akt von den großen religiösen Hochzeitsfeierlichkeiten trennen. In den Ohren meines Vaters hörte sich dieser Plan vernünftig und durchdacht an. Mehr noch, was für einen klugen Schwiegersohn er doch bekam! Zusammen mit Esma würde er es weit bringen. Vater war zufrieden mit seiner Wahl. Am frühen Abend ging er los, er kannte einen Notar in der Stadt, den wollte er wegen Samstag fragen.
    Als ich nach Hause kam, war alles geregelt. Ich hatte einen Bräutigam, der schon wieder weg war. Weder hatte ich ihn noch er mich gesehen. Keiner hatte daran gedacht, mich zu holen, solange er noch da war. Warum auch? Der ganze Handel ging mich nichts an, ich wurde nicht gefragt und hatte auch nichts zu sagen.
    Ich traf den
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