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Loewenmutter

Loewenmutter

Titel: Loewenmutter
Autoren: Esma Abdelhamid
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sagt, sie sei schön und eine gute Hausfrau?« – »Ja.« – »Das könnte passen.« – »Kommt darauf an.« – »Von der ganzen Familie habe ich nur Gutes gehört.«
    Nachdem Abdullah einen ersten Redeschwall schon im Garten losgeworden war, blickte er erwartungsvoll auf meinen Vater. Ein stattlicher, respekteinflößender Mann, kein einziges graues Haar, seine Uniform mit den silbernen Knöpfen und den Schulterklappen zog er auch im Haus nur selten aus. Nun bat er beide Brüder hinein ins Wohnzimmer. Die Fenster standen weit offen, nachdem sie wegen der Hitze fast den ganzen Tag über verschlossen gewesen waren.
    Man zog die Schuhe aus und setzte sich an ein kleines Tischchen in der Ecke, Teppiche dämpften die Stimmen der Männer. »Wegen Esma«, rief der Vater zu seiner Frau hinaus in die Küche und dass sie Tee bereiten solle. Er war nicht überrascht, er hatte Routine mit jungen Männern, die seinen Töchtern den Hof machten. Ständig kamen welche und brachten Geschenke, irgendwelche Leckereien, einer war gleich mit einem ganzen Schaf gekommen.
    Alle wegen mir. Um die Hand meiner zwei Jahre älteren Schwester Fatma wollte lange keiner anhalten. Doch vor ein paar Monaten hatte man endlich ihre Hochzeit gefeiert, das war nun erledigt. Von uns vier Schwestern wurde am meisten um mich geworben. Ich fühlte mich gut dabei, es war ein tolles Gefühl, so begehrt zu werden. Doch mein Vater fragte sich oft, was die Männer alle an mir fanden. Eigentlich hätte man nicht lange überlegen müssen, um darauf zu kommen. Mein Reiz lag auf der Hand: Ich war ein traditionell erzogenes tunesisches Mädchen, unselbständig, gehorsam, dumm, naiv, aber hübsch wie ein Püppchen und außerdem eine gute Hausfrau. Und: Ich hatte keine Flausen im Kopf wie meine ältere Schwester, die unbedingt einen Beruf lernen wollte. Viele wollten mich heiraten, das reichte mir.
    Über zwei, drei Jahre ging das schon so. Alle paar Wochen kam ein anderer. Jedes Mal hatte der Vater nein gesagt, nachdem die Herren ihre Geschenke verteilt hatten, die sie natürlich nicht wieder mitnehmen konnten, das wäre gegen die Höflichkeit gewesen. Nein, er könne mich nicht verheiraten, solange meine ältere Schwester nicht unter der Haube war. So lautete die Regel. Ich war noch nicht an der Reihe. Und für Fatma fand sich keiner. Als vor geraumer Zeit wieder einer anklopfte, um nach mir zu fragen, ist es dem Vater zu bunt geworden, und er hat kurzen Prozess gemacht: »Wenn du willst, bekommst du die ältere Schwester. Fatma oder keine.« Ich weiß nicht, warum, aber der Mann ließ sich darauf ein. Er war viel älter, vielleicht hatte er Angst, gar keine Frau mehr abzubekommen. Meine Schwester ist nicht glücklich geworden mit ihm. Doch nun war der Weg frei zu mir.
    Nicht ein einziges Mal hatte ich daran gedacht, dass mein Vater irgendwann einmal ja sagen könnte. Wenn die Jungen anmarschierten, fühlte ich mich wie die Prinzessin im Märchen. Sollten sie ruhig mit ihren Geschenken anrücken und mutige Taten vollbringen, am Ende würden sie doch wieder abgewiesen. Jedes Mal habe ich mich diebisch gefreut, diese Freierei brachte Abwechslung in mein Leben. Ich war kindlich und wusste nichts von Männern, aber das spielte auch keine Rolle.
    Um den einen oder anderen Heiratskandidaten hatte es dem Vater sogar leidgetan, sie gefielen ihm. Ob sie mir gefielen? – Fragte er nie. Es wäre ihm nie in den Sinn gekommen, mich etwas zu fragen. Auch nicht, ob ich überhaupt heiraten wolle. Als Vater war es seine Pflicht, seine Töchter so gut wie möglich zu versorgen, eine nach der anderen. Er wollte keine Geschäfte machen, aber seine Töchter waren jung, hübsch, konnten kochen und waschen und Kinder kriegen. Das reichte.
    Fatma hatte seine Verheiratungspläne lange genug blockiert. Jetzt war es so weit, und ich war dran. Ob ich eigene Wünsche und Vorstellungen hatte, interessierte ihn nicht. Nur eines wusste er, dieses Mal würde er nicht sofort nein sagen. Er wollte den Bewerber genau prüfen und dann spontan entscheiden. Abdullah? Was der Vater sah, war nicht schlecht, das ausländische Auto beeindruckte ihn. Abdullah hatte einen traditionellen Familiensinn und offensichtlich genug Geld. Auch wenn ausgerechnet er keine Geschenke mitgebracht hatte.
    »Wie alt bist du?« – »27.« – »Wo arbeitest du?« – »Bei einer Fertighausbau-Firma.« – »Was tust du da?« – »Beton gießen im Schichtdienst, manchmal Fliesen legen.« – »Bist du in der Lage, für
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