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Loewenmutter

Loewenmutter

Titel: Loewenmutter
Autoren: Esma Abdelhamid
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lässt sich wohl machen«, sagt er und wiederholt noch einmal: »Jahaaa, warum nicht? Ich hab einen sehr guten Job für dich, genau das Richtige. Die Arbeit passt, das kann ich mir gut vorstellen.«
    Ich schlucke und geniere mich, was will er von mir?, denke ich, spreche es aber nicht aus. Trotzdem muss ich irgendwie reagieren: »Okay, können Sie meiner Schwester bitte sagen, wann und wie und was«, sage ich. Ich bin nicht verwundert, nur aufgeregt. Ich frage auch nicht, was jeder andere an meiner Stelle tun würde: Was für ein Job? Warum ausgerechnet ich? Kein Wort. Es wäre mir gar nicht in den Sinn gekommen, Fragen zu stellen. Das habe ich nie gelernt, aber hören konnte ich und gehorchen. Und wenn er sagt, ein Job, dann hat er einen Job für mich, fini. Soll er mir doch etwas anbieten, es liegt an meinem Vater zu entscheiden, ob ich arbeiten darf oder nicht.
    Für Mahmoud ist die Sache damit offensichtlich erledigt, er lässt die Jalousie offen und steckt die Kurbel wieder in ihre Halterung. Er geht zum Schreibtisch, von wo aus Fatma die Szene verfolgt hat, greift zum Telefon, wählt die Nummer der Kantine, »Bitte zwei Orangina auf Zimmer 7«, wünscht uns einen guten Tag und verschwindet. Fatma und ich sehen uns an: »Was will er von dir?«, fragt meine Schwester. Ich zucke mit den Achseln und drehe mich ein paar Mal auf dem Absatz hin und her. Wir können uns keinen Reim darauf machen, was der Mann mit seinem »passenden Job« meinte. Doch Frauen fragen nicht, also trinken wir unsere Orangina und machen uns auf den Heimweg.
    Drei Tage später stand Mahmoud mit seinem Bruder Abdullah vor unserem Hoftor am weißen Haus am Rand unserer kleinen Stadt. Eine gesichtslose Provinzhauptstadt in Zentraltunesien, in der die französischen Kolonialherren vor über 100 Jahren eine Garnison angesiedelt hatten. In den 70er Jahren bauten Investoren aus dem Ausland eine kleine Fabrik für die Verarbeitung von Espertogras. Das war alles. Andere Verdienstmöglichkeiten gab es nicht für die Nomaden, die aus der Umgebung hierher gezogen waren. Abdullah hatte zu dieser Zeit schon längst sein Glück in Europa versucht. Über Frankreich war er nach Deutschland gekommen, wo er bei einer Hamburger Baufirma Arbeit gefunden hatte.
    Die Brüder hatten sich nicht angemeldet. Es war Spätnachmittag, als sie klingelten. Sie waren mit dem Auto gekommen. Mit Abdullahs Auto, einem roten mit fremdem Nummernschild, daran war gleich zu erkennen, dass er aus dem Ausland kam. Ich war nicht da. Meine älteste Schwester hatte eine Fehlgeburt gehabt, sie lag im Bett bei sich zu Hause, ich kümmerte mich um ihre älteren Kinder und den Haushalt. Ein guter Anlass, um für ein paar Stunden von zu Hause abzuhauen. Ich brachte ihr Essen, wusch die Wäsche und kehrte erst abends zurück.
    Mein Vater war da, auch meine jüngeren Geschwister, die neugierig waren und alles mitbekamen. Noch am gleichen Abend erzählte mir meine kleine Schwester haarklein vom Besuch der Brüder. Der Vater hatte ihnen das große Tor in der Mauer, die um Garten und Haus gezogen war, geöffnet und sie hereingebeten. Auf der mit Platten ausgelegten Terrasse vor der Haustür blieben sie stehen. Vater wusste sofort, wer Mahmoud war, unter Beamten in so einer kleinen Stadt kennt man sich. »Was wollt ihr hier?«, fragte er. Da hat Mahmoud gar nicht lange drum herum- geredet, sondern gleich die Karten auf den Tisch gelegt: Man sei wegen Esma gekommen.
    »Abdullah. Er ist mein kleiner Bruder und noch nicht verheiratet. Wir suchen dringend eine Frau für ihn«, sagte er. »Dringend, am besten noch, solange er auf Urlaub in Tunesien ist.« »Ich arbeite in Deutschland«, mischte sich Abdullah ein, »seit sieben Jahren schon.« Er habe noch keine Gelegenheit gehabt, eine Frau zu suchen, weil er Tag und Nacht schufte. »Außerdem gibt es in Deutschland nicht viele tunesische Frauen. Eine kleine Auswahl nur, deshalb will ich lieber eine von hier heiraten.«
    Abdullah sagte, er sei nach Tunesien zurückgekehrt, um sich nach einer passenden Frau umzusehen. Er sagte nicht, dass seine Familie ihn unter Druck gesetzt hatte, weil er schon über 25 Jahre alt war. Und er sagte auch nicht, dass er in Deutschland eine Freundin mit Kind hatte.
    Wie sein Vater schon und auch der Großvater wolle er die Verantwortung für eine Frau und Kinder übernehmen und für sie sorgen, sagte er nun dem Vater. »Mein Bruder erzählte mir von Ihrer Tochter, wie heißt sie …?« – »Esma.« – »Mein Bruder
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