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Lockruf der Toten / Magischer Thriller

Lockruf der Toten / Magischer Thriller

Titel: Lockruf der Toten / Magischer Thriller
Autoren: Kelley Armstrong
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Ich musste diese Kinder befreien. Niemand anderes konnte das für mich erledigen, und ich würde nicht riskieren, dass irgendwelche Umstände mich daran hinderten oder die Sache auch nur weiter verzögerten.
    Ich legte mir meine Argumente zurecht, brauchte sie am Ende aber gar nicht. Niemand wollte noch warten.
    Eve und Kristof patrouillierten im Garten, wobei sie außerdem Tansy, Gabrielle und die anderen als zusätzliche Wachtposten rekrutierten. Wir sahen uns genau an, wo die Polizei noch tätig war, und betraten den Garten von einem Nachbargrundstück aus in sicherer Entfernung vom Mordschauplatz.
    Dann wandelte Jeremy sich. Selbst in menschlicher Gestalt hätte er näher kommende Polizisten noch schneller bemerkt als die Geister, aber wenn er sich an einem Mordschauplatz erwischen ließ, konnte er Schwierigkeiten bekommen. Ein herrenloses Hundewesen dagegen stellte allenfalls einen Störfaktor dar und rechtfertigte im Extremfall einen Anruf beim Hundefänger – und sollte ich ein Ablenkungsmanöver brauchen, dann würde ein riesiger schwarzer Hund sehr gelegen kommen.
    Der Fleck, den Eve ausgewählt hatte, war von Geistern umgeben; die meisten hatte ich noch nie im Leben gesehen. Sie sagten nichts, als fürchteten sie, mich von der Arbeit abzulenken. Ein Lächeln hier, ein Nicken dort, dann widmeten sie sich wieder ihrer schweigenden Wache.
    Ich ging den Gartenweg entlang, durch ein Spalier von Posten. Mein Arbeitszeug lag noch im Haus, aber ich brauchte es schließlich nicht. Meine Rolle hier war sehr einfach – ich diente als der Magnet, der die Kinder aus ihrem Versteck locken sollte.
    »Seid ihr hier?«, flüsterte ich.
    Stille. Links von mir bewegte sich etwas, und ich sah rasch hinüber, aber es war nur ein Windstoß, der durch die Rosenbüsche ging.
    »Hallo?«, sagte ich so laut, wie ich es wagte. »Ich bin wieder da. Seid ihr noch hier?«
    Niemand antwortete.
    »Ich war in letzter Zeit ziemlich viel weg. Und das, was hier passiert ist – vielleicht hat es euch Angst gemacht. Aber es ist jetzt vorbei, und ich kann euch helfen.«
    Ein Seufzer. Ich spürte, wie meine Haut zu prickeln begann. Der Wind raschelte im Laub eines Baums, und ich hörte den Seufzer wieder – ein loser Ast, der leise knarrte.
    Ich redete weiter, wobei ich mir darüber klar war, dass sie mich höchstwahrscheinlich nicht verstanden, selbst wenn sie nahe genug waren, um mich zu hören. Aber ich hoffte, der Klang meiner Stimme würde sie zu mir ziehen.
    Der Garten blieb still und unbelebt.
    Ich schloss die Augen und dachte an Rachel Skye, das Mädchen, mit dem Eve Kontakt aufgenommen hatte. Ein Kind, das ich nur als eine in einem Garten verscharrte Leiche kannte. Ein Mädchen, das auf dem Heimweg von der Schule eine Abkürzung genommen hatte, um seine Lieblingssendung nicht zu verpassen, ermordet und in einem Gartenbeet entsorgt. Ich dachte an die anderen, die Kinder, deren Berührungen und Püffe ich gespürt hatte, deren flüsternde Stimmen ich gehört hatte, die keine Namen und keine Geschichte hatten und vielleicht nie welche haben würden – nicht für mich.
    Ich dachte an Brendan, auch er kaum mehr als ein Kind, stoisch angesichts seines Schicksals, als sei das der Preis, den man bezahlte, wenn man seinem Traum folgte. Ich dachte an die jungen Teenager, an denen ich auf den Straßen von L.A. und Chicago und jeder anderen großen Stadt vorbeikam, an all die verlorenen Kinder. Und eine kurze Sekunde lang dachte ich an mich selbst und mein eigenes Kind, das ich vor all den Jahren verloren hatte.
    Etwas streifte meinen Arm. Ich blickte auf und sah Jeremy. Angezogen durch meine Gedankenverlorenheit und besorgt um mich. Er sah mich an. Dann zog etwas weiter links seine Aufmerksamkeit auf sich, und er drehte den Kopf, einen verwirrten Ausdruck in den Augen. Ich folgte seiner Blickrichtung, sah dort aber nur die Geister, die auf ihren Posten standen.
    Finger kitzelten meine Wange. Andere Finger strichen mir übers Haar. Das Flüstern begann. Ich wurde still und mühte mich zu hören, überzeugt zunächst, dass ich es mir einbildete. Dann erschien Eve zwischen den Rosenbüschen.
    »Sie sind hier«, sagte sie.
    Mit dem Auftauchen der Kinder war meine Aufgabe erfüllt, und die von Eve und Kristof begann. Sie knieten auf dem Gartenweg und führten das Ritual durch, das die Parzen ihnen gegeben hatten. Kristof ordnete die Materialien an. Eve sprach die Beschwörung. Jeremy stand schweigend neben mir. Die Kinder streichelten mich und
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