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Lobgesang

Titel: Lobgesang
Autoren: Ken Scholes
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Tür hinter sich. »Hat das vielleicht etwas mit einem gewissen Sumpfmädchen zu tun, das zufällig seinen König begleitet?«
    Neb spürte, wie seine Wangen heiß wurden. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber Aedrics leises Lachen ließ ihn verstummen. »Sie hat dich ziemlich fest in der Hand, möchte ich meinen.«
    Die Doppeldeutigkeit entging Neb nicht, und nun brannten auch seine Ohren. Doch Aedric klopfte ihm auf die Schulter, während sich sein Kichern zu lautem Gelächter steigerte. »Nur Mut, Neb«, sagte er. »Das passiert hin und wieder allen von uns. Sei aber vorsichtig – die Sümpfler sind ein seltsamer Haufen.«
    Er weiß es nicht , wurde Neb klar. Er glaubt, dass Hanric der Sumpfkönig ist. Rudolfo kannte die Wahrheit, obwohl Neb nicht sagen konnte, wie er es herausgefunden hatte. Und Neb nahm an, dass Aedrics Vater Gregoric es auch gewusst hatte. Aber Gregoric war in der Nacht, als sie die Mechoservitoren aus Sethberts Lager befreit hatten, zu Tode gekommen.
    Das Sumpfvolk konnte nur überleben, weil die übrigen Benannten Lande es entweder fürchteten oder es nicht weiter beachteten. Der Legende nach hatten die Sümpfler die Benannten
Lande gleich betreten, nachdem jener erste Rudolfo seine Schar von Wüstendieben mit ihren Frauen und Kindern über den Hüterwall geführt hatte. Von diesem Ereignis hatte Carpathius sicher keine Bilder gemalt. Einst waren sie die Hausdiener von Xhum Y’Zir und seinen Söhnen, den Hexenkönigen, gewesen. Aber das Zeitalter des Lachenden Wahnsinns – so lehrten es die Androfranziner – war auch im Verlauf mehrerer Generationen nicht aus dem Blut der Sümpfler gewichen. Als weitere Siedler in die Neue Welt kamen, war das Sumpfvolk nach und nach entlang der nördlichen Ausläufer des Drachenrückens in die Sümpfe und Wälder im Quellgebiet des Ersten und Zweiten Flusses zurückgedrängt worden: an einen Ort, an dem ihr Wahnsinn und ihr Mystizismus die letzten Überbleibsel der Menschheit nicht besudeln konnten.
    Je mehr Neb allerdings durch seinen Kontakt mit den Sümpflern und ihrer Anführerin aus erster Hand erfuhr, desto mehr zweifelte er daran, wie der Orden die Ereignisse darstellte. Das Sumpfvolk war gewiss anders, aber nicht unbedingt wahnsinnig .
    Neb drängte seine Gedanken mit einem Blinzeln zurück, stand auf, schnappte sich seinen Messergurt und legte ihn an. Aedric begutachtete ihn und richtete den Schal, der Nebs Rang anzeigte, indem er den Knoten verschob, bis er an der Innenseite des Armes lag. »Du hast während einer Zeit des Krieges Männer befehligt«, sagte er, während er noch daran herumnestelte. »Dies ist die richtige Art, es zu zeigen.«
    Neb selbst sah sich nicht als Befehlshaber in Kriegszeiten. Er hatte ein Heer von Totengräbern angeführt und sein Bestes getan, um sie am Leben zu halten und zu ernähren, während um sie herum die Armeen übereinander herfielen. Verirrte Pfeile, Missverständnisse und die Kälte hatten ihn in diesem Winter zwanzig Männer gekostet. In den Augen der Späher war es dennoch eine beachtliche militärische Leistung, die Neb zu einem erfahrenen Befehlshaber machte – der sich selbst jedoch an den meisten
Tagen eher wie ein Waisenjunge vorkam. »Ich danke Euch, Hauptmann«, sagte er, als er zur Tür ging.
    Aedric hielt inne. »Vielleicht lässt du es mit dem Würzfeuer heute Abend etwas ruhig angehen. Und wenn du dein Mädchen noch einmal sehen willst, dann solltest du für einen frühen Appell bereit sein.«
    Nebs Verblüffung war nicht zu übersehen.
    Aedric bemerkte die überraschte Miene und fuhr fort: »Wir haben Nachricht vom Hüterwall erhalten. Seltsame Dinge gehen am Tor vor. Wir reiten morgen in aller Frühe mit Rudolfo und Isaak hinaus.«
    Neb spürte die Enttäuschung wie einen Messerstich. Morgen hätte ein Feiertag sein sollen, und er hatte vorgehabt, ihn mit Winters zu verbringen, wenn es ihr Zeitplan erlaubte. Trotzdem wurde er auch neugierig. »Was ist am Wall los?«
    Aedric schüttelte den Kopf. »Morgen. Ich werde dich einweisen, wenn wir unterwegs sind.« Er grinste. »Mach in der Zwischenzeit das Beste aus deiner Nacht, Neb.«
    Noch einmal lag die große Hand auf seiner Schulter, und Neb erinnerte sich plötzlich an die Hand seines Vaters und daran, wie er sie auf exakt dieselbe Stelle gelegt hatte. Es schien so lange her zu sein. Bruder Hebda war ein gerechter, freundlicher und stattlicher Mann gewesen, der für seinen nicht anerkannten Sohn mehr getan hatte als die meisten
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