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Lobgesang

Titel: Lobgesang
Autoren: Ken Scholes
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hatte er sie jeden Tag gelesen – in den ersten Wochen sogar immer und immer wieder – und hatte sie seinem Gedächtnis überantwortet. Er hätte sie frei vortragen können; und an guten Tagen, wenn seine Hände ruhiger waren, hätte er vermutlich auch die Karten und Illustrationen zeichnen können, die sich darin fanden.
    Nun starrte er abermals darauf hinab, las die Erklärung auf der ersten Seite.
    Auf Befehl von Petronus, dem Heiligen Stuhl des Androfranziner-Ordens und König von Windwir
    Sein eigener Name stand auf dem ersten Formblatt, einer Ermächtigung zu Forschungen, um aus Rufellos Buch der Baupläne und verstreuten, beschädigten Bruchstücken aus der Alten Welt die Mechoservitoren wiederherzustellen. Darunter seine eigenhändige Unterschrift, gekennzeichnet durch das päpstliche Siegel. Dieses Formular kümmerte ihn nicht sonderlich. Er erinnerte sich daran, den Kopf, den Rumpf und den Arm jenes ersten Entwurfs gesehen zu haben, und an die brütende Hitze des riesigen Dampfkessels, der erforderlich gewesen war, um die Antriebskraft für seine grundlegenden Funktionen zu erzeugen. Es war dennoch die eindrucksvollste mechanische Errungenschaft
der Alten Welt gewesen, die sie bis zu diesem Zeitpunkt wiederherstellen hatten können. Er erinnerte sich daran, diesen Befehl unterzeichnet zu haben. Es war derjenige darunter, der ihn verstörte und erzürnte.
    Er begann mit der gleichen Formulierung.
    Auf Befehl von Petronus, dem Heiligen Stuhl des Androfranziner-Ordens und König von Windwir
    Aber der undenkbare Befehl, der sich daran anschloss, verblüffte ihn. Obwohl er darüber beinahe blind geworden wäre, hatte Petronus jeden Pergamentfetzen gelesen, unter den er im Laufe seines Papsttums seine Unterschrift und sein Siegel gesetzt hatte. Diesen hatte er nicht unterzeichnet. Er hätte ihn auch niemals unterzeichnet.
    Unter dem Befehl prangte neben dem Siegel trotzdem seine Unterschrift. Demnach hatte er zusammen mit der Kanzlei für mechanische Studien das Vorantreiben der Wiederherstellung von Xhum Y’Zirs Sieben kakophonischen Toden verlangt und verfügt, dass dreizehn Expeditionen in die Mahlenden Ödlande aufbrachen, unter dem Schutz der Grauen Garde und mit einem magifizierten Kurier.
    Er selbst hatte diesen Befehl nicht unterschrieben, aber jemand hatte es getan und damit den Weg für alle Papiere bereitet, die danach folgten: für zwei Generationen von Metallmännern, die nicht nur als Diener vorgesehen waren, sondern als Waffen, die immun gegen Y’Zirs Bannspruch und somit die perfekten Überbringer für diesen verheerenden Zauber waren; und für Forschungen über die Auswirkungen eines eingeschränkten Einsatzes des Spruchs an strategischen Punkten in den Benannten Landen.
    Kein Wunder, dass Sethbert gehandelt hat , dachte Petronus. Er hatte geglaubt, der Orden habe vor, ihn anzugreifen.

    Und dann kam die einzige Botschaft, die Tam hinterlassen hatte, die einzige Erklärung für sein Werk, eine sichere Verwahrung des Lichts in Rudolfos Wald voranzutreiben, und für das Werk seines Vaters, einen Papst zu schaffen und zu vernichten, damit der Orden ein Ende finden und das Licht in zuverlässigere Hände übergehen konnte.
    Sie wollten uns beschützen.
    Irgendwo jenseits der Benannten Lande gab es etwas, das die Androfranziner fürchteten. Etwas, das mächtig genug war, sie zur Benutzung jener Waffe zu drängen, die die Alte Welt verheert und das Zeitalter des Lachenden Wahnsinns ausgelöst hatte. Gerade sie hatten die Macht dieses Bannspruchs besser gekannt als alle anderen: Sie hatten die Schlüssel zum Hütertor verwahrt und Bergungsmissionen in die Mahlenden Ödlande unternommen, um Bruchstücke des Lichts zu retten. Noch zweitausend Jahre später hatten sie das Werk der Zerstörung aus erster Hand sehen können – eine Ödnis aus Gestrüpp und Fels, geschmolzenem Glas und Knochenstaub.
    Was immer sie gefürchtet hatten, es musste etwas Mächtiges gewesen sein, sonst hätten sie nicht ausgerechnet zu dieser Waffe gegriffen.
    Und was, wenn diese Bedrohung die Waffe der Androfranziner auf irgendeine Weise gegen sie gerichtet und Sethbert als Bauernopfer benutzt hatte? Oder noch schlimmer, was, wenn die Bedrohung von außerhalb nur als große Ablenkung inszeniert worden war, die letzten Endes darauf abgezielt hatte, die Wiederherstellung des Bannspruchs und die Vernichtung der Androfranziner und ihrer Bibliothek in die Wege zu leiten? Das wies auf ein Netzwerk von Verbindungen hin, auf
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