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Lobgesang

Titel: Lobgesang
Autoren: Ken Scholes
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der Erstgeborene seines besten Freundes. Gregoric und Rudolfo waren sich seit ihrer Kindheit nahegestanden, und als König Jakob und seine Frau ermordet worden waren, hatte Rudolfo selbst den Turban an sich genommen und seinem Freund den Posten des Ersten Hauptmanns übertragen. Sie hatten in vielen Gefechten Seite an Seite gekämpft, auf das Geheiß des Ordens hin wiederauflebende Irrlehren zerstreut und sich auf diese Weise ihren Ruf als ebenso leidenschaftliche Anführer wie hervorragende Strategen erworben. Aber Rudolfo kannte die Wahrheit: Ein Anführer war nur so fähig wie die Männer, über die er gebot, und seine Männer waren die besten der Neuen Welt.
    Ihre Treue kommt der Liebe gleich , dachte er. Sie übernehmen sie von ihren Vätern. Diese Erkenntnis brachte ihn zum Grübeln, und eine Überlegung drängte sich in seine Gedanken. Er schob sie zur Seite und zwang sich dazu, sich auf die gegenwärtige Aufgabe zu konzentrieren. »Ich bin deiner Meinung, Aedric.« Dann fuhr er in der Zeichensprache der Zigeunerspäher fort, so, dass
es jeder seiner Männer sehen würde: Aber morgen ist es früh genug. Heute Abend tafeln wir, während diese Männer meine erste Vaterschaft ehren.
    Die Zigeunerspäher blieben still, aber als Rudolfo seinen Blick über sie schweifen ließ, bemerkte er, dass einige von ihnen wieder grinsten. Er lächelte.
    Während sie weitergingen und sich einen Weg durch die von seinem stetig größer werdenden Volk belebten Straßen suchten, nahm Rudolfo den Gedanken wieder auf, den er zuvor beiseitegeschoben hatte. Diese Männer, wurde ihm klar, waren die Kinder von gestern, und sie würden allzu bald ihre Messer an die Kinder von morgen weiterreichen. Und in jener kurzen Zeit dazwischen hatte sich die Welt schon wieder verändert – und sie veränderte sich noch –, da die Benannten Lande nach dem Verlust ihrer androfranzinischen Hirten ins Taumeln und Straucheln geraten waren. Trotzdem würden die Zigeunerspäher ihre Messer weitergeben, und mit ihnen das Wissen aus diesen unsicheren Zeiten.
    Und jetzt werde auch ich meine Messer weiterreichen , dachte Rudolfo. Er hoffte, sie würden scharf sein und gut in der Hand liegen für die Welt, die zu schaffen sie in Begriff waren.
    Neb
    Neb pirschte sich durch die Schatten des whymerischen Irrgartens näher an seine Beute. Er bewegte sich mit Bedacht und setzte seinen Fuß exakt in einen der Abdrücke, die er zu einem früheren Zeitpunkt seiner Jagd hinterlassen hatte. Sie befand sich inzwischen vor ihm, dessen war er sicher. In der kalten Nachtluft nahm er einen unmerklichen Hauch von Erde und Asche wahr. Ein berauschender Geruch.

    Plötzlich spürte er, wie ihn etwas Kaltes und Nasses im Nacken traf. Eis- und Schneeklumpen fielen ihm ins Hemd, und hinter ihm brach Winters in Gelächter aus. Er wirbelte herum, um nach ihr zu hechten, aber sie tänzelte zurück, außerhalb der Reichweite seiner rudernden Arme.
    Grinsend strich sich Winters das schmutzige, braune Haar aus dem Gesicht. »Du bist schwerfällig geworden, Nebios ben Hebda. «
    Neb schüttelte den Kopf. »Wenn ich magifiziert gewesen wäre, hätte ich dich gehört«, sagte er. Die Tarnpulver, mit denen er übte, ließen Rudolfos Zigeunerspäher für das bloße Auge so gut wie unsichtbar werden. Nur zu Kriegszeiten setzten die Späher ihre Magifizienten ein, die außerdem die Sinne schärften und die Schnelligkeit und Stärke erhöhten, was sie zu fürchterlichen Gegnern machte.
    Winters lächelte. »Das ist doch der Haken an der Sache. Du bist von diesen Pulvern abhängig geworden – ohne sie ist deine Sinneswahrnehmung getrübt.« Sie kam näher und legte ihm eine schmutzige Hand auf die Wange. »Dadurch wirst du zu leichter Beute.«
    Neb grinste, trat dichter an Winters heran und hob die Hände, um sie in die Arme zu nehmen. Schlank wie eine Weidengerte schmiegte sie sich an ihn und legte den Kopf in den Nacken, so dass ihre Lippen sich berührten. Trotz der Kälte spürte Neb ihre Wärme unter seinen Händen.
    Als Neb Winters kennengelernt hatte, hatte er sie für die Dienerin oder Tochter des Sumpfkönigs gehalten, oder gar Schlimmeres. Später hatte er erfahren, dass in Wahrheit sie selbst die Sumpfkönigin war, die sich hinter ihrem bedrohlichen »Schatten« verbarg, bis sie ihre Mündigkeit erlangte und sich im ausgeklügelten Netzwerk der Bundschaften innerhalb der Benannten Lande ausreichend Respekt verschaffen konnte. Am Rande der Verheerung von Windwir hatten sie Träume
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