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Lob der Stiefmutter

Lob der Stiefmutter

Titel: Lob der Stiefmutter
Autoren: Mario Vargas Llosa
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seine betörendsten Ausmaße. Jede Halbkugel ist ein fleischliches Paradies; beide zusammen, getrennt durch eine zarte, mit kaum wahrnehmbarem Flaum bedeckte Spalte, die sich in der berückenden Weiße, Schwärze und Seidigkeit des Dickichts verliert, das die festen Säulen der Oberschenkel krönt, lassen mich an einen Altar jener barbarischen Religion der Babylonier denken, die von uns vernichtet wurde. Fest bietet sie sich den Händen dar und weich den Lippen; weit für die Umarmung und warm in den kalten Nächten, ein sanftes Kissen, um den Kopf darauf zu betten, und eine Quelle der Lust, wenn die Zeit für den Liebesansturm kommt. In sie einzudringen ist nicht einfach; eher schmerzhaft zu Beginn und sogar heldenhaft ob des Widerstands, den dieses rosige Fleisch dem männlichen Angriff entgegensetzt. Ein zäher Wille und eine tiefe, hartnäckige Rute, die, wie die meinen, vor nichts und niemandem zurückschrecken, tun daher not.
    Als ich Gyges, dem Sohn des Daschylos, meinem Wächter und Minister, sagte, ich sei stolzer auf die Heldentaten, die meine Rute mit Lukrezia auf dem prächtigen, segelgeschmückten Schiff unseres Ruhelagers vollbringe, als auf meine Ruhmestaten im Schlachtfeld oder auf die Ausgewogenheit meiner Rechtsprechung, quittierte er mit einem lauten Lachen, was er für einen Scherz hielt. Aber es war kein Scherz: ich bin es. Ich bezweifle, daß viele Einwohner Lydienssich mit mir messen können. Eines Abends – ich war betrunken – rief ich zu meiner bloßen Bestätigung den bestgerüsteten der äthiopischen Sklaven, Atlas, in mein Gemach, hieß Lukrezia sich vor ihm niederbeugen und befahl ihm, sie zu besteigen. Es gelang ihm nicht, weil meine Gegenwart ihn verzagen ließ oder weil die Herausforderung seine Kräfte überstieg. Ein ums andere Mal sah ich ihn entschlossen vorrücken, stoßen, keuchen und geschlagen zurückweichen. (Da Lukrezia dieses Geschehen quälend in Erinnerung blieb, ließ ich Atlas später köpfen.)
    Denn soviel ist gewiß: ich liebe die Königin. Alles an meiner Gattin ist sanft und zart, ganz im Gegensatz zur strotzenden Herrlichkeit ihrer Kruppe: ihre Hände und ihre Füße, ihre Taille und ihr Mund. Sie hat eine Stupsnase und schmachtende Augen, geheimnisvoll stille Wasser, die nur Lust und Zorn in Wallung bringen. Ich habe Lukrezia studiert, wie die Gelehrten die alten Folianten des Tempels studieren, und obwohl ich glaube, sie auswendig zu kennen, entdecke ich jeden Tag – oder vielmehr jede Nacht – etwas Neues an ihr, das mich rührt: die sanfte Linie der Schultern, das vorwitzige Knöchelchen des Ellenbogens, die Feinheit des Ristes, die Rundheit ihres Knies und die blaue Durchsichtigkeit des Wäldchens ihrer Achselhöhlen.
    Nicht wenige werden ihrer rechtmäßigen Ehefrau sehr bald überdrüssig. Die Routine des Ehelebens töte das Begehren, philosophieren sie, keine freudigeErwartung könne auf die Dauer die Adern eines Mannes in Aufruhr bringen, der monate- und jahrelang mit derselben Frau zu Bette liegt. Ich aber werde Lukrezias, meiner Frau, nicht müde, trotz der Zeit, die seit unserer Vermählung vergangen ist. Nie hat sie mich gelangweilt. Wenn ich auf die Tiger- und Elefantenjagd gehe oder in den Krieg ziehe, dann läßt die Erinnerung an sie mein Herz schneller schlagen, so wie am ersten Tag, und wenn ich eine Sklavin oder eine namenlose Frau liebkose, um mir die einsamen Nächte im Feldzelt zu vertreiben, dann spüren meine Hände stets eine herzzerreißende Enttäuschung: sie finden nur Hintern, Gesäße, Hinterbacken, Ärsche. Sie allein – ach, Geliebte! – besitzt eine Kruppe. Deshalb bin ich ihr im Herzen treu; deshalb liebe ich sie. Deshalb verfasse ich Gedichte für sie, die ich ihr ins Ohr sage, und werfe mich, allein mit ihr, auf den Boden und küsse ihre Füße. Deshalb habe ich ihre Schatullen mit Juwelen und Edelsteinen besetzt und in sämtlichen Erdenwinkeln all die Schuhe und Gewänder, all den Zierat für sie in Auftrag gegeben, die zu tragen ihre Tage nicht ausreichen werden. Deshalb pflege und verehre ich sie wie den auserlesensten Besitz meines Reiches. Ohne Lukrezia wäre mir das Leben Tod.
    Die wirkliche Geschichte dessen, was mit Gyges, meinem Wächter und Minister, geschah, hat wenig zu tun mit dem Gerede über das Geschehen. Keine der Versionen, die zu mir gedrungen sind, kommtder Wahrheit auch nur im entferntesten nahe. So verhält es sich immer: obwohl Phantasie und Wirklichkeit ein und dasselbe Herz besitzen, sind ihre
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