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Lob der Stiefmutter

Lob der Stiefmutter

Titel: Lob der Stiefmutter
Autoren: Mario Vargas Llosa
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mit allergrößter Diskretion zu Werke gehen. Jene Episode mit Atlas, dem Sklaven, war zutiefst schockierend gewesen für meine Frau, das habe ich bereits gesagt; Lukrezia hatte sich dazu hergegeben, weil sie sich allen meinen Launen fügt. Aber als ich sah, wie sehr sie sich schämte, während Atlas und sie vergeblich das Phantasiestück aufzuführen suchten, das ich mir ausgedacht hatte, schwor ich mir selbst, daß ich sie niemals wieder einer derartigen Prüfung unterziehen würde. Heute noch, nachdem soviel Zeit verstrichen ist seit jenem launigen Einfall und da von dem armen Atlas in der von Geiern und Falken wimmelnden, stinkenden Schlucht, in die man seine Überreste geworfen hat, nur noch die abgenagten Knochen übrig sein dürften, wacht die Königin bisweilen nächtens auf und zittert vor Angst in meinen Armen, weil im Traum die Schattengestalt des Äthiopiers sie abermals bestürmt hat.
    Dieses Mal schritt ich daher zur Tat, ohne daß meine Geliebte darum wußte. Zumindest entsprach dies meiner Absicht, obwohl mir, wenn ich es recht bedenke, wenn ich die Winkel meines Gedächtnisses nachdem Geschehen jener Nacht ausforsche, bisweilen Zweifel daran kommen.
    Ich ließ Gyges durch die kleine Gartenpforte ein und führte ihn in das Gemach, während die Zofen Lukrezia entkleideten, sie parfümierten und mit jenen Essenzen salbten, die ich an ihrem Körper gerne rieche und schmecke. Ich wies meinen Minister an, sich hinter dem Vorhang des Balkons zu verbergen und sich nach Möglichkeit weder zu bewegen noch das geringste Geräusch zu machen. Aus diesem Winkel hatte er einen vollkommenen Blick auf das prachtvolle Bett mit den geschnitzten Säulen, den Treppenstufen, den Vorhängen aus rotem Atlas und den zahlreichen Kissen, Seidenstoffen und kostbaren Stickereien, auf dem die Königin und ich jede Nacht unsere Liebesgefechte austragen. Ich löschte alle Lichter, so daß der Raum von den knisternden Zungen der Feuerstelle nur noch schwach erhellt wurde.
    Bald darauf trat Lukrezia herein, wie schwerelos in einer luftigen, halb durchsichtigen Tunika aus weißer Seide mit filigranem Stickwerk an Armelaufschlägen, Hals und Saum. Sie trug eine Perlenkette, ein Haarnetz, und ihre Füße steckten in hochhackigen Pantoffeln aus Holz und Filz.
    So ließ ich sie eine gute Weile vor mir stehen, kostete sie mit den Augen und schenkte meinem guten Minister diesen Anblick, der für die Götter geschaffen war. Und während ich sie betrachtete und daran dachte, daß Gyges es mir gleichtat, ließ mich die maliziöseKomplizenschaft, die uns verband, plötzlich vor Verlangen brennen. Ohne etwas zu sagen, ging ich auf sie zu, drängte sie auf das Bett und bestieg sie. Während ich sie liebkoste, erschien vor meinen Augen Gyges’ bärtiges Gesicht, und der Gedanke, daß er uns zusah, erhitzte mich noch mehr, gab meiner Lust eine süßherbe, scharfe Würze, die ich bislang nicht gekannt hatte. Und sie? Ahnte sie etwas? Wußte sie etwas? Denn ich glaube, nie zuvor hatte ich sie so feurig erlebt, nie zuvor so stürmisch im Geben und Nehmen, so kühn im Biß, im Kuß und in der Umarmung. Vielleicht spürte sie, daß wir, die wir in jener Nacht in dem von der roten Glut des Feuers und des Begehrens erfüllten Gemach unserer Lust frönten, nicht zwei, sondern drei waren.
    Als ich mich im Morgengrauen, während Lukrezia schon im Schlaf lag, auf Zehenspitzen aus dem Bett stahl, um meinen Wächter und Minister zur Gartenpforte zu führen, fand ich ihn zitternd vor Kälte und ungläubigem Staunen.
    »Ihr hattet recht, Majestät«, stammelte er verzückt und bebend. »Ich habe ihn gesehen, und er ist so außergewöhnlich, daß ich es nicht glauben kann. Ich habe ihn gesehen, und noch immer ist mir, als hätte ich nur geträumt.«
    »Vergiß das alles so rasch wie möglich und für alle Zeit, Gyges«, befahl ich ihm. »Ich habe dir dieses Privileg in einer seltsamen Anwandlung gewährt, ohne darüber nachzudenken, um der Achtung willen, dieich für dich empfinde. Aber hüte deine Zunge. Ich möchte nicht, daß diese Geschichte Tavernengeschwätz und Marktweiberklatsch wird. Ich könnte es bereuen, daß ich dich hierhergebracht habe.«
    Er schwor mir, niemals ein Wort darüber verlauten zu lassen.
    Aber er hat es getan. Wie anders könnte es so viele Gerüchte über das Geschehen geben? Die Versionen widersprechen sich, eine ist ungereimter und falscher als die andere. Sie gelangen bis zu uns, und obwohl sie uns anfänglich mit Zorn erfüllten,
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