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Lob der Stiefmutter

Lob der Stiefmutter

Titel: Lob der Stiefmutter
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Gesichter wie Tag und Nacht, wie Feuer und Wasser. Es war keine Wette oder irgendein Tauschhandel im Spiel; alles geschah unvermittelt, durch eine plötzliche Anwandlung meinerseits, ein Werk des Zufalls oder die Intrige eines jungen verspielten Gottes.
    Wir hatten einer endlosen Zeremonie auf dem freien Feld in der Nähe des Palastes beigewohnt, wo die Vasallenstämme, die gekommen waren, mir ihren Tribut zu leisten, unsere Ohren mit ihren wilden Gesängen betäubten und unsere Augen mit dem Staub trübten, den die akrobatischen Vorführungen ihrer Reiter aufwirbelten. Wir sahen auch zwei jener Zauberer, die Krankheiten mit der Asche toter Tiere heilen, und einen Heiligen, der seine Gebete sprach, während er sich auf den Fersen drehte. Er war beeindruckend: getrieben von der Kraft seines Glaubens und von den Atemübungen, die seinen Tanz begleiteten – ein rauhes, immer stärker werdendes Gekeuche, das aus seinen Eingeweiden zu kommen schien –, verwandelte er sich in einen menschlichen Wirbel, und in einem bestimmten Augenblick entzog er sich ob seiner Geschwindigkeit unseren Blicken. Als er erneut Gestalt annahm und innehielt, war er schweißgebadet, wie Pferde nach einer schweren Fuhre, und zeigte die bestürzte Blässe und die betäubten Augen dessen, der einen oder mehrere Götter gesehen hat.
    Von den Zauberern und dem Heiligen hatten wir gerade gesprochen, mein Minister und ich, während wir ein Glas griechischen Weines kosteten, als der gute Gyges mit jenem maliziösen Funkeln, das der Trank in seinen Augen entzündet, plötzlich die Stimme senkte und mir zuflüsterte:
    »Die Ägypterin, die ich gekauft habe, hat den schönsten Hintern, den die Vorsehung einer Frau je geschenkt hat. Das Gesicht ist unvollkommen; die Brüste sind klein, und sie schwitzt übermäßig; aber die rassige Fülle ihres Gesäßes wiegt all ihre Mängel reichlich auf. Die bloße Erinnerung daran macht mich schwindeln, Majestät.«
    »Zeig ihn mir, und ich zeig dir einen anderen. Dann vergleichen wir und entscheiden, welcher der schönere ist, Gyges.«
    Ich sah, daß er leicht aus der Fassung geriet, blinzelte und die Lippen öffnete, aber nichts sagte. Glaubte er, ich scherzte? Fürchtete er, nicht richtig gehört zu haben? Denn mein Wächter und Minister wußte sehr genau, von wem wir sprachen. Ich hatte diesen Vorschlag geäußert, ohne zu überlegen; nun aber begann ein süßer kleiner Wurm an meinem Gehirn zu nagen und mich mit unruhiger Erwartung zu erfüllen.
    »Du bist stumm geblieben, Gyges. Was hast du?«
    »Ich weiß nicht, was ich sagen soll, Herr. Ich bin verwirrt.«
    »Das sehe ich. Also, antworte mir. Nimmst du mein Angebot an?«
    »Euer Majestät wissen, daß Ihre Wünsche die meinen sind.«
    So nahm die Sache ihren Anfang. Zunächst begaben wir uns zu seiner Residenz; am Ende des Gartens, wo sich die Dampfbäder befinden, wo wir schwitzten und man uns mit Massagen unsere Glieder verjüngte, betrachtete ich prüfenden Auges die Ägypterin. Eine sehr große Frau, das Gesicht von jenen Narben entstellt, mit denen die Menschen ihres Volkes die geschlechtsreifen Mädchen ihrem blutigen Gott zu weihen pflegen. Sie hatte ihre Jugend schon hinter sich. Aber sie war interessant und attraktiv, das gebe ich zu. Ihre ebenholzfarbene Haut glänzte zwischen den Dampfwolken, als wäre sie mit Lack überzogen, und jede ihrer Bewegungen und Haltungen kündete von außergewöhnlichem Stolz. Von ihr ging nicht die geringste Spur jener abscheulichen, bei Sklaven so häufigen Unterwürfigkeit aus, mit der sie die Gunst ihres Herrn zu gewinnen suchen, sondern eher eine elegante Kälte. Sie verstand unsere Sprache nicht, aber sie begriff sofort die Anweisungen, die ihr Herr ihr durch Gesten erteilte. Als Gyges ihr zu verstehen gab, was wir sehen wollten, hüllte sie uns beide einige Sekunden lang in ihren seidigen, verächtlichen Blick, wandte sich dann um, beugte sich und hob mit beiden Händen ihre Tunika hoch, um uns ihre Hinterwelt darzubieten. Sie war beeindruckend, in der Tat, und grenzte an ein Wunder für jemanden, der nicht der Ehemann von Lukrezia war, der Königin. Festund kugelrund, fürwahr, mit sanften Rundungen und einer haarlosen, körnigen, bläulich schimmernden Haut, über die der Blick hinweggleiten konnte wie über das Meer. Ich beglückwünschte sie und beglückwünschte auch meinen Wächter und Minister zum Besitz einer so süßen Köstlichkeit.
    Damit ich meinen Teil des Versprechens erfüllen konnte, mußten wir
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