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Live!

Live!

Titel: Live!
Autoren: Petros Markaris
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wurde, als sich nach drei Tagen Leichengeruch verbreitete. Die da sollten vor den Augen der ganzen Welt sterben. Andererseits gab ich ihnen damit die Möglichkeit eines heldenhaften Abgangs, unterstützt von ihrer Biographie. Verstehen Sie, was passiert wäre, wenn ich aufgedeckt hätte, daß diese Unternehmer, Politiker und Journalisten, diese Stützen der Gesellschaft, bis Anfang der achtziger Jahre in Banken und an der Börse Bomben gelegt hatten? Das hätte nicht nur ihr eigenes Ende bedeutet, sondern auch das ihrer Frauen und Brüder, die als Strohmänner ihrer Geschäfte fungierten. Alle drei waren vom Erfolg verwöhnt, sie waren mittlerweile prominent und hätten solch eine Katastrophe, eine öffentliche Zurschaustellung, eine Gefängnisstrafe nicht verkraftet. So zogen sie die von mir vorgeschlagene Lösung vor.«
    »Woher haben Sie gewußt, daß Vakirtsis sich an dem Tag umbringen würde, als Sie mir die Biographie zukommen ließen?«
    »Ich wußte, daß er jedes Jahr an seinem Namenstag ein großes Fest gibt. Das habe ich ihm als Bedingung gestellt. Ich erklärte ihm, entweder brächte er sich dort um oder ich würde ihn denunzieren.«
    Nun sehe ich alles vor mir: das dunkle Geheimnis aus der Vergangenheit, Logaras und seine Biographien, die von mir aufgestellten Hypothesen, die bis zu einem gewissen Grad richtig, jedoch ergebnislos geblieben waren. Eine letzte Frage möchte ich noch geklärt wissen.
    »Warum ich, Frau Janneli? Warum haben Sie mich ausgesucht?«
    Sie blickt mich an und lächelt mir zu. »Weil Sie der einzige waren, der die Wahrheit wissen wollte. Das hat mich gleich bei unserer ersten Begegnung beeindruckt. Niemand sonst wollte den wahren Grund erfahren. Alle wollten ein rasches Begräbnis, das unangenehme Ereignis dem Vergessen anheimgeben und in Ruhe weitermachen. Sie waren der einzige. Und noch etwas, das ich Ihnen heute schon zweimal gesagt habe.«
    »Was?«
    »Ich glaube, daß Sie Verständnis haben. Ich kann es nicht begründen, aber das glaube ich.«
    »Kann sein, daß ich Verständnis habe, aber das ändert nichts an der Tatsache, daß es sich um Straftaten handelt. Die Anstiftung zum Selbstmord ist ein Verbrechen und wird strafrechtlich verfolgt. Sie werden für eine offizielle Aussage mit mir ins Präsidium kommen müssen.«
    Sie lacht auf. »Kommen Sie schon, Herr Kommissar. Worauf wollen Sie Ihre Anschuldigung stützen? Sie haben nichts in der Hand, außer dem Computerausdruck einer Biographie, verfaßt von einem gewissen Minas Logaras.«
    »Möglich, aber ich werde weitersuchen.«
    »Sie werden nichts finden, das kann ich Ihnen schriftlich geben. Den Teil des Archivs, der für mich uninteressant war, habe ich schon vor Jahren vernichtet. Vorgestern, als Sie das T-Shirt mit Che Guevara erhielten, habe ich auch das übrige Archiv verbrannt. Kein einziges Blatt ist übriggeblieben, Herr Kommissar. Nur die Notiz meines Vaters. Andere heben die Fotografie ihres Vaters auf – ich den Zettel, auf dem er sich von mir lossagt.« Ihre Bitterkeit ist nur vorübergehend, sie überwindet sie rasch. »Worauf wollen Sie die Anschuldigung also stützen? Und wo wollen Sie einen Staatsanwalt auftreiben, der ein Verfahren einleitet?«
    Sie hat recht, ich werde keinen finden. Deshalb hat sie die ganze Zeit Katz und Maus mit mir gespielt. Sie war sicher, unangreifbar zu sein.
    »Diese Leute haben meinen Vater und meinen Mann betrogen, Herr Kommissar. Mein Vater hätte niemals mit ihnen gemeinsame Sache gemacht, hätte er gewußt, daß sie Geschäftemacher werden würden. Denn er haßte Geschäftemacher zutiefst. Und mein Mann hätte sie niemals gefoltert, hätte er gewußt, daß sie Geschäftemacher werden würden. Denn er bewunderte Leute wie Onassis oder Bossodakis zutiefst. Der eine hing so lange von der Decke, bis er stank, und der andere wurde vom Folterer zum Gequälten. Ich möchte keinen von Schuld reinwaschen, auch mich selbst nicht, aber die da müssen auch bezahlen. Das kleine verschreckte Mädchen hat sie am Ende alle besiegt.« Zum ersten Mal erkenne ich so etwas wie Stolz in ihrer Stimme.
    Sie erhebt sich von ihrem Platz, um anzudeuten, daß unser Gespräch beendet ist. Ich ringe um Worte, finde aber keine. Scheinbar kann sie meinen Zustand an meinem Blick ablesen, denn als wir zur Wohnungstür gelangen, meint sie: »Morgen werden Sie in Ihre Dienststelle gehen und ich ins Büro. Ich werde weiterhin alles daransetzen, die Unternehmen unter meiner Leitung zum Erfolg zu führen. Ich
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