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Listiger Freitag

Listiger Freitag

Titel: Listiger Freitag
Autoren: Garth Nix
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Kraterwand tief unter ihnen. Blatt durchlief eine Welle von Schmerz und Ekel, aber das Gefühl ging schnell vorbei. Es rührte von der Harpune her, wurde ihr klar, und sie rückte verstohlen ein wenig davon weg.
    »Nun«, grübelte der Mariner. »Mir bleiben vielleicht zwei gute Würfe, bevor sie über uns herfallen. Was also sollen meine Ziele sein?«
    Unten hob Lady Freitag die Hand, und der Spiegel, der den Fünften Schlüssel verkörperte, erstrahlte noch heller.
    »Schnell!«, rief Blatt. »Sie wird gleich –«
    Der Schlüssel blitzte auf, und sein grelles Licht vertrieb die Dunkelheit aus jeder Ecke und Spalte des Kraters. See und Kuppel flammten silbern auf, und aus den Augen und Mündern der Schläfer sprang ein verrücktes Gewirr flatternd bunter Lichtstreifen auf Lady Freitags Hand zu. Wieder sammelte sie sie, und das reinweiße Strahlen des Spiegels wurde bunt wie ein Regenbogen, der überlief und an ihrem Arm herabzutröpfeln schien.
    Lady Freitag hob den Spiegel höher, legte den Kopf zurück und öffnete den Mund mit den perfekten weißen Zähnen.
    »Sie müssen sie aufhalten!«, schrie Blatt gellend. »Sie darf sie nicht alle austrinken!«
    *
    »Das ist Blatts Stimme!«, sagte Arthur, als er auf den Felsboden des Kraters hinausstolperte und dabei versehentlich einige Schläfer umstieß. Aus irgendeinem Grund hatte er Schwierigkeiten, das Gleichgewicht zu wahren, und er torkelte noch einmal, ehe er sicher auf den Füßen stand. Er konnte seine Freundin zwar hören, sie jedoch nirgends sehen und auch nicht verstehen, was sie rief. Alles, was er sehen konnte, war ein Heer von Willenlosen, Freitag, die auf ihrer Säule thronte, und die Bürger, die über ihr flogen.
    »Freitag benutzt den Schlüssel«, bemerkte das Vermächtnis, das direkt hinter Arthur kam. Es schrumpfte noch etwas mehr und huschte zwischen zwei schwankenden Schläfern durch. »Auf eine äußerst sonderbare Art und Weise.«
    »Das ist ungewöhnlich«, meinte Scamandros, der als Nächster durch das weiße Licht des Übergangs von den Sieben Zifferblättern kam. Er schob sich die Brille auf die Stirn und musterte den nächststehenden Schläfer. »Diesen Sterblichen wird … nun ja, nicht direkt das Leben, aber etwas sehr Ähnliches entzogen.«
    Blatt hatte aufgehört zu rufen. Arthur wollte sich gerade weiter vordrängeln, als er ein fernes Knistern vernahm und ihm ein Schmerz, den er kannte, durch die Zähne fuhr. Einen Moment später kam die Harpune des Mariners von der Kraterwand heruntergesaust. Es sah so aus, als ob sie Freitag treffen müsste, aber einen Sekundenbruchteil vor dem Aufschlag sprang die Treuhänderin hoch, öffnete blitzschnell ihre gelben Flügel und schwebte in der Luft. Der Schlüssel blieb buntstrahlend in ihrer Hand.
    »Der Mariner!«, schrie Freitag und zeigte zur Kraterwand hinauf. »Greift ihn an!«
    Ihre Lakeien, darunter auch der Monokel tragende Mittag, schwenkten in der Luft und flogen auf die Fensteröffnung zu, wo der Mariner mit ausgestreckter Hand auf seine zurückkehrende Harpune wartete.
    »Halt!«, brüllte Arthur. Er streckte den Marschallstab in die Höhe, seine Hände in den Panzerhandschuhen waren völlig ruhig. »Schlüssel, bringt Freitag zu mir! Und ihr, Bürger, lasst den Mariner in Ruhe!«
    Arthurs Stimme hallte im ganzen Krater wider. Sie klang nicht nach einem trotzigen Jungen, sondern nach einem großen Gebieter, der seine Diener auffordert, zu tun, was er verlangt.
    Lady Freitag klappte mitten im Flug wie ein Taschenmesser zusammen, als sie zu ihrem Balkon flüchtete. Mit dem Spiegel in der Hand wurde sie zurückgetragen, als ob ein starker Wind sie erfasst hätte, bis sie wenig damenhaft vor Arthur abstürzte. Sie brachte einige Schläfer ins Taumeln, schenkte ihnen aber keine Beachtung.
    »So, seid Ihr also rausgekommen«, sagte sie im Plauderton zum Vermächtnis. »Dieser Junge hat vollbracht, wozu Ihr selbst nicht in der Lage wart.«
    »So ist es«, entgegnete das Vermächtnis. »Und jetzt ist es Zeit, dass Ihr Eure Verantwortung an eben diesen abtretet, der überhaupt kein Junge ist, sondern Lord Arthur, der Rechtmäßige Erbe.«
    »Ich bin dazu bereit«, erklärte Freitag. »Aber darf ich vorher nur noch einen Schluck trinken? Ich bin besiegt, das weiß ich, doch nur als Sterbliche kann ich das Gefühl der Niederlage wirklich erleben. Gebt mir nur ein paar Minuten, lasst mich noch einmal die reiche Beschaffenheit sterblichen Lebens genießen –«
    »Nein!«, sagte Arthur. Er schob
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