Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lisa

Lisa

Titel: Lisa
Autoren: Thomas Glavinic
Vom Netzwerk:
angreifen, nie und nimmer.
    Und wenn du solchen Leuten Vorhaltungen machst, hörst du Sätze wie: Es ist ja trotzdem was aus euch geworden.
    …
    Wie spät? Okay. Dann kann ich ja loslegen. Ich erreiche weiterhin niemanden. Mit Alex war ich unten im Dorf und habe ihm per Kreditkarte zehn DVDs spendiert. Nun bin ich Superdad. Anstatt wie sonst Psychodad.
    Mir selbst habe ich einen Kriegsfilm gekauft. Wege zum Ruhm. Weiß noch nicht, ob er was taugt.
    Ich erinnere mich nicht genau, was ich schon alles erzählt habe und was nicht.
    Habe ich mit Hilgerts Amoklauf angefangen? Der fehlt noch, glaube ich.
    Nein, kein richtiger Amoklauf, ich drücke mich zu plastisch aus. Er hat sich etwas in den Kopf gesetzt und ist nichtmehr davon abgerückt. Er hatte ein Ziel vor Augen. Er hatte eine Idee, und auf die hat er sich geworfen.
    …
    Hilgert. Sein Ziel, seine Berechnungen … Kennt ihr den Satz?
    FÜR MICH STEHT NATURGEMÄSS NIEMAND EIN, WEIL KEINER DEN SPRUNG INS DUNKLE WAGEN WILL. ABER MEIN ZIEL IST KLAR UND MEINE BERECHNUNGEN SIND RICHTIG.
    Wer hat das gesagt? Von wem stammt das, wisst ihrs? Mein Ziel ist klar! Meine Berechnungen sind richtig! Das hat einer gesagt, der gut war! Der auch etwas wollte und etwas wusste und es gemacht hat, ganz allein.
    Hilgert und sein Ziel. Mittlerweile ist er von der Kripo freigestellt, weil nun doch die Prügel für den Typen im Hollandknast offiziell bekannt geworden sind, und er beginnt für sich, allein, von vorne.
    Er geht wirklich alles neu an. Er drechselt auf. Er stellt Fragen. Er fährt auf eigene Kosten durch Deutschland. Und er stellt eine Verbindung wieder her, die ihm sehr nützlich sein wird. Die Gendings, vom Labor. Der, der dann die Bemerkung über Ötzi gemacht hat, der hieß gleich wie ich. Netter Zufall.
    …
    Ist irgendwie lustig. Wie man erst viel später Zusammenhänge versteht, weil man zuvor nicht die nötigen Informationen gehabt hat. Damals die Bemerkung über den Dyatlov-Pass zum Beispiel. Da war Hilgert ziemlich besoffen. Er hat gelallt, das war sie auch, Lisa hat die neun Skitourengeher auf dem Gewissen. Hinterher macht es Sinn. Hilgert, der wusste es schon lange.
    Augenblick, das ist hier …
    …
    Im Nachhinein kaum zu glauben, wie schnell er all das geschafft hat. Das wäre eine Aufgabe für die ganze Sonderkommission gewesen. Wäre gewesen, ja. Eine SOKO mit fünfzehn Mitarbeitern vor Ort, die jederzeit Zugriff hat auf eine weitere Hundertschaft Beamter in mehreren Ländern, denn die SOKO bestand zum Schluss aus Beamten in Deutschland, Österreich und den Niederlanden. Das, was die hätten machen sollen, hat er alleine gemacht. Zuerst hat er …
    Ich halte das nicht mehr aus. Bedeutet das etwas, wenn das Blut aus der Nase eine blaue Färbung hat?
    Vielleicht ist es ja eine Legende, doch angeblich haben die schottischen Whiskymacher eine Faustregel, wie man heftigen und häufigen Alkoholkonsum dauerhaft übersteht. Einen Tag in der Woche, eine Woche im Monat, einen Monat im Jahr darf man nichts trinken.
    Klingt nicht dumm. Ob die Regel für alles gilt, was man seinem Körper antut?
    Nun frage ich mich aber, was… das sieht nicht gut aus.
    Ach was, auch schon egal. Lasst euch nicht von meinem Gemümmel irritieren, das ist das Taschentuch.
    Zuerst hat Hilgert die Namen der angeblich zweihundert weiblichen Beschäftigten oder ehemaligen Beschäftigten jener Stäbchenfirma in Hessen ausfindig gemacht. Die zweihundert waren vierhundertelf. Von diesen vierhundertelf konnte er nach einer Woche sechsundzwanzig ausschließen, die definitiv niemals in der Stäbchenherstellung zu tun hatten. Heißt, die hatten keine Gelegenheit, in den Stäbchentopf zu husten. Etwa, weil sie das Werk nie von innengesehen haben, weil sie immer nur mit dem Musterkoffer durch die Gegend gereist sind. Von den verbliebenen dreihundertfünfundachtzig waren drei tot. Blieben dreihundertzweiundachtzig. Und dann ging es los.
    …
    Mir ist gerade ein Perser eingefallen, der bei Salzburg lebt. Das ist der größte Säufer, den ich je kennengelernt habe. Dem haben sie so oft wegen Trunkenheit am Steuer den Führerschein abgenommen, dass er zuletzt nur noch mit einer Gerätschaft von der Kneipe nach Hause gefahren ist, die man dort Kabinenmoped nennt. Ein kleiner Motorroller mit rundherum ein bisschen Auto. Ziemlich fragil, maximal vierzig km/h, und er ist natürlich weiter besoffen damit herumgefahren, aber dafür braucht ihr keinen Führerschein. Einige Male haben sie das Kabinenmoped … meine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher