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Linda Lael Miller

Linda Lael Miller

Titel: Linda Lael Miller
Autoren: Ein suendiger Engel
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umgehend
diese Papiere liest!«
    Stirnrunzelnd
löste Eli den Bindfaden und das Papier von dem Paket. Ein ganzer Stapel Briefe
von Northridger Bürgern kam darunter hervor. Eli lächelte. Auch heute noch war
man in seiner Heimatstadt bemüht, ihn über alles auf dem laufenden zu halten.
    Die
Mitglieder des Freitagnachmittagsclubs beklagten sich in einem zwölfseitigen
Erguß über Bonnies Verhalten. Es sei völlig unpassend und unschicklich für eine
Frau in ihrem Zustand, allein über einem Kolonialwarenladen zu wohnen und von
unverheirateten Männern wie Webb Hutcheson und Forbes Durrant Besuche zu
empfangen.
    »Was zum
Teufel meinen sie mit > in ihrem Zustand < ?« herrschte Eli seinen Freund
an, der sich schon in einiger Entfernung seines Rollstuhls zurückgezogen hatte
und wie ein fluchtbereites Kaninchen aussah.
    »Lies die
anderen Briefe«, forderte er Eli auf.
    Eli
überflog sie, einen nach dem anderen. Viele betrafen Bonnie gar nicht; sie
stammten von Hüttenwerksarbeitern und waren Klagen über Löhne und Arbeitsbedingungen.
Andere berührten Bonnie nur flüchtig, aber das Wort > ihr Zustand < tauchte
in fast allen Briefen auf.
    Und dann
die Arztrechnung. Fünfundsechzig Dollar für Untersuchungen, die vor Mrs.
McKutchens Niederkunft zu entrichten waren ...
    Was Eli sich
vorher nicht auszumalen gewagt hatte, bestätigte sich jetzt durch die Worte
des Arztes. Bonnie war schwanger.
    Wie konnte
sie in Northridge bleiben, obwohl sie wußte, was ein zweites Kind für sie beide
bedeutet hätte? Es gab nur eine Erklärung dafür, aber Eli war nicht sicher, sie
zu ertragen.
    Das Kind
mußte von einem anderen sein.
    Mit einem
Aufschrei stieß er sämtliche Papiere von seinem Schoß. Nur ein dicker Umschlag
blieb liegen, der jedoch vermutlich auch nur schlechte Nachrichten enthielt.
    »Anscheinend
haben wir einen Fehler gemacht, als wir Mr. Durrant als Geschäftsführer der
McKutchen Enterprises in Northridge einsetzten«, bemerkte Seth besorgt. »Nach
allem, was ich hörte, scheint er seine Macht zu mißbrauchen und ist bei den
Arbeitern sehr verhaßt.«
    Eli dröhnte
der Kopf, und sein Magen schmerzte. »Glaubst du, es interessiert mich, was
dieser Kretin tut?«
    »Eli, du
hast die Briefe der Arbeiter gelesen! Ist dir nicht klar, daß uns ein Streik
droht?«
    »Ist mir
egal.«
    »Eli...«
    »Ich möchte
mich von meiner Frau scheiden lassen, Seth«, sagte Eli und schaute seinem
Anwalt offen in die Augen.
    Seth
errötete und senkte den Blick auf den Umschlag, der noch auf Elis Knien lag.
»Ich fürchte, das wird nicht nötig sein.«
    »Was?«
    Seth
lockerte seinen steifen Kragen und ging zur Tür. »Mrs. McKutchen hat sich
bereits von dir scheiden lassen.«
    Zuerst war
Eli zu betroffen, um etwas zu sagen; er starrte Seth nur sprachlos an. Aber
dann, als er an Bonnies Baby dachte und zurückrechnete, wann sie es empfangen
haben mußte, stieß er einen Wutschrei aus und fegte sämtliche Gegenstände von
seinem Sekretär. Als sei das nicht genug, begann er auch einige der Möbel
umzustoßen, zerschmetterte die Lampen, die Wasserschüssel und die Karaffe und
zerstörte die Spiegel und sogar die Fenster.
    Nur das
Foto, das auf Fire Island aufgenommen war, kurz vor dem Ende der Welt, blieb
unangetastet.
    Anfang
Oktober bestieg Eli ein Schiff nach Europa. Er besuchte England und Schottland,
Frankreich und Italien, Deutschland und Belgien und blieb so lange in jedem
Land, wie er es aushielt. Mit der Zeit erholte er sich von seiner Krankheit und
gewann seine alte Kraft zurück.
    Über ein
Jahr lang hielt Seth ihn mit Telegrammen über die von Forbes Durrant ausgelöste
Krisenstimmung in den Northridger Werken auf dem laufenden, und im Frühjahr
1900 hielt Eli es nicht mehr aus. Er sah ein, daß er sich seinen Verpflichtungen
dem Unternehmen seines Großvaters gegenüber nicht mehr entziehen konnte.
    Der
Gedanke, Bonnie wiederzusehen, erfüllte ihn mit Grauen, obwohl er sich
gleichzeitig mit jeder Faser seines Herzens nach ihr sehnte. Aber da sie jetzt
nicht mehr meine Frau ist, dachte er, wird sie bei einem Wiedersehen leicht zu
ignorieren sein.
    Doch als
Elis Schiff in New York anlegte, wartete Seth schon mit den Beweisen für das
Gegenteil.

5

    »Wo zum Teufel bleibt Forbes?« zischte
Dottie Thurston, die neben Bonnie auf den marmornen Eingangsstufen des Brass
Eagle Saloons stand. In der Ferne pfiff ein Zug.
    Aus
irgendeinem Grund verstärkte das Geräusch die Spannung ins Unerträgliche.
Bonnie hielt ihren Blick auf
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