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Linda Lael Miller

Linda Lael Miller

Titel: Linda Lael Miller
Autoren: Ein suendiger Engel
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bekreuzigte sich ein weiteres Mal. Dann stand sie
auf und kehrte an den Herd und zu dem Eintopf zurück, dessen würziger Duft
wenigstens für eine Weile den Gestank vertrieb, der in Patch Town herrschte.
»Du solltest jetzt in die Schule zurückgehen, Bonnie, um unseren Herrgott, der
es so gut mit dir meinte, nicht zu enttäuschen.«
    Mit
zitternden Beinen stand Bonnie auf, strich ihr dunkles Haar zurück und straffte
die Schultern. »Ist das nur wieder eins von deinen Märchen, Gran?«
    »Ich habe
ihn mit eigenen Augen gesehen«, entgegnete Gran entschieden. »Also ab mit dir,
und trödele nirgendwo herum! Ich werde keinen weiteren Unsinn dulden. Und der
Herrgott auch nicht!«
    Und Bonnie
lief getröstet davon, eilte vorbei an den heruntergekommenen Katen, stinkenden
Klosetthäuschen, Abfallhaufen und neugierigen Blicken der Nachbarn.
    Von jenem Tag an ging eine Veränderung
mit Bonnie Fitzpatrick vor. Eine tiefempfundene Freude beherrschte sie, die
durch nichts auszulöschen war. Denn immer, wenn sie sich vorstellte, von Jesus
Christus persönlich aufgehoben und stolz seinem Vater vorgeführt worden zu
sein, vergaß sie für eine Weile ihre häßliche Umgebung und das verhaßte Kleid,
das sie tagein, tagaus tragen mußte.
    Die
Mackersonzwillinge konnten ihr nichts mehr anhaben und gaben auch bald den
Versuch auf. Aber Forbes Durrant, ein Junge, der zwei Hütten weiter von den
Fitzpatricks wohnte, war ausdauernder. Er lachte über Bonnies Geschichte und
verlieh ihr den Spitznamen > Angel < – > Engel < , der ihr ein Leben
lang anhaften sollte. Zu Anfang vielleicht, weil Bonnie darauf beharrte, daß
der Herrgott bei ihrer Geburt dabeigewesen war, und später, weil sie sich zu
einer Schönheit entwickelte, wie sie in Northridge noch nie gesehen worden war
– von Patch Town ganz zu schweigen. Selbst Forbes war für ihre Schönheit nicht
unempfänglich, und obwohl er Bonnie gnadenlos zu necken pflegte, hätte er es
mit Goliath persönlich aufgenommen, um sie zu beschützen.
    Im Alter
von siebzehn erweckte Bonnie das Interesse Eli McKutchens, des Erben der
McKutchen Hüttenwerke in Northridge und eines Finanzimperiums, das sich von
einer Küste des Landes zur anderen erstreckte.
    Eli war ein
großer, breitschultriger Mann mit ausgeprägten Ansichten. Mit seinem glänzenden
weizenblonden Haar und den bernsteinfarbenen Augen war er für Bonnie die
Perfektion schlechthin – ein Umstand, der ihr später noch sehr viel Leid
eintragen sollte.
    Die ganze
Stadt war empört, als Eli McKutchen sich in jemanden wie Bonnie Fitzpatrick
verliebte. »Hochnäsige Göre!« murmelten die Damen hinter ihren Teetassen und
ihren seidenen Fächern. Wie konnte Josiah, Elis Großvater und hochgeschätzter
Bürger von Northridge, eine derart unpassende Verbindung gutheißen?
    Die Männer
der Stadt richteten ihren Neid auf Eli statt auf Bonnie. »Glückspilz«, knurrten
sie über ihrem Bier und ihren Pokerkarten.
    Josiah, den
Bonnies Temperament ebenso beeindruckte wie ihre Schönheit, zerstörte die
Hoffnungen aller respektablen Mütter von ledigen Töchtern, indem er der Verbindung
aus vollem Herzen zustimmte. Bonnies bescheidene Herkunft kümmerte ihn wenig,
denn er war selbst einmal ein armer Mann gewesen. Um Elis Glück gebührend zu
feiern, ließ er ein zweistöckiges Geschäftshaus erbauen und machte es –
komplett eingerichtet und mit gefülltem Warenlager – dem Vater der Braut zum
Geschenk.
    Fitzpatrick,
der sein halbes Leben lang hungrig und die andere Hälfte seines Lebens schwer
verschuldet war, konnte es kaum glauben, daß die Weggabe seiner einzigen
Tochter ihm eine so bedeutende Mitgift einbringen sollte. Nach der Trauung,
die in McKutchens gepflegtem Garten stattfand, sprach Jack dem Alkohol so
kräftig zu, daß ihm vor Sentimentalität die Tränen kamen. Weinend gedachte er
seiner Mutter, die vor einem Jahr verstorben war und das freudige Ereignis
nicht mehr miterleben konnte, und seiner sanften Margaret Anne, die schon lange
vorher in die ewige Glorie eingegangen war. Wie glücklich es Bonnies Mama
gestimmt hätte, zu wissen, daß ihr kleines Mädchen einen so feinen jungen Mann
wie Eli McKutchen heiratete, der fest entschlossen schien, ihr die ganze Welt
zu Füßen zu legen.
    Und er
selbst, Jack Fitzpatrick, besaß jetzt einen eigenen Laden, auf dessen
Schaufenstern in großen weißen Lettern sein Name stand, für jedermann zu erkennen!
War das etwa nicht Grund genug, an diesem glücklichen Tag einmal zu tief ins
Glas zu
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