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Linda Lael Miller

Linda Lael Miller

Titel: Linda Lael Miller
Autoren: Hundert Jahre Zaertlichkeit
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zu dem Klavier.
    Seufzend
setzte sie sich. Ob Papa ihr das glaubte? Nein, er war ein Mann der
Wissenschaft. Er würde sagen: »Also, Trista, darüber haben wir doch schon gesprochen.
Ich weiß, du möchtest mich gern davon überzeugen, daß deine Mutter zu uns
zurückkommen könnte, aber es gibt keine Geister. Ich will solche Albernheiten
nicht mehr von dir hören. Ist das klar?«
    Sie begann
pflichtschuldig wieder zu spielen – verloren in ihren Träumen.
    »Funkle,
funkle, kleiner Stern ...« murmelte sie, während ihre Finger unbeholfen über
die Tasten wanderten.
    »Ach ja.« Roberta Buzbee putzte nicht
vorhandene Krümel von dem Busen ihres farbenfrohen Jerseykleides. »Mama war
noch ein kleines Mädchen, als dieses Haus brannte.«
    »Sie war
neun«, warf Miss Cecily feierlich ein und erschauerte. »Es war eine
schreckliche Feuersbrunst. Der Doktor und seine arme Tochter sind darin umgekommen.
Und dieser Teil des Hauses wurde nicht wieder aufgebaut.«
    Elisabeth
schluckte schmerzlich. »Da war also ein Kind ...«
    »Sicher«,
erklärte Roberta. »Ihr Name war Trista Anne Fortner, und sie war Mamas beste
Freundin. Sie waren etwa im gleichen Alter. Mama war nur ein paar Monate
älter.« Sie schnalzte bedauernd mit der Zunge. »Es war wirklich tragisch. Dr.
Fortner kam um, als er versuchte, sein kleines Mädchen zu retten. Es hieß,
seine Gefährtin habe das Feuer gelegt. Sie wurde wegen Mordes angeklagt und
gehängt, nicht wahr, Schwester?«
    Cecily
nickte.
    Trotz der
Wärme dieses sonnigen Nachmittags im April durchlief Elisabeth ein kalter
Schauer, und sie nahm einen Schluck Kaffee. Nimm dich zusammen, Elisabeth,
dachte sie. Was immer du gehört hast, es war kein totes Kind, das gesungen und
Klavier gespielt hat. Tante Veritys Geschichten über das Haus waren genau das –
nämlich Geschichten.
    »Sie sehen
blaß aus, meine Liebe«, bemerkte Cecily.
    Das letzte,
was Elisabeth gebrauchen konnte, war, daß sich noch jemand um sie sorgte. »Ich
werde in diesem Herbst an der Schule von Pine River unterrichten«, verkündete
sie, um das Thema zu wechseln.
    »Roberta
hat in dem alten Schulgebäude von Cold Creek unterrichtet«, sagte Cecily stolz.
»Und ich war die Stadtbibliothekarin. Das war natürlich, ehe wir mit unseren
Reisen begonnen haben.«
    Bevor
Elisabeth antworten konnte, schlug jemand hart auf die Tasten eines Klaviers.
    Diesmal war
es nicht möglich, daß sie sich das Geräusch eingebildet hatte. Es hallte durch
das Haus, und die Buzbee-Schwestern zuckten zusammen.
    Ganz
langsam setzte Elisabeth ihre Kaffeetasse ab und ging, um nach dem Spinett zu
sehen. Es war zugedeckt. Niemand war da.
    »Das ist
der Geist«, sagte Cecily, die Elisabeth mit ihrer Schwester gefolgt war. »Nach
all dieser Zeit ist sie noch immer hier. Nun, es wundert mich nicht.«
    »Geist?«
echote Elisabeth.
    Cecily
nickte. »Trista hat nie wirklich Ruhe gefunden, armes Kind. Und man sagt, daß
der Doktor noch immer nach ihr sucht. Die Leute haben seinen Einspänner auch
auf der Straße gesehen.«
    Elisabeth
mußte sich zusammennehmen.
    »Schwester«,
warf Roberta energisch ein, »du regst Elisabeth auf.«
    »Mir geht
es gut«, log Elisabeth. »Wirklich gut.«
    »Vielleicht
sollten wir lieber gehen.« Cecily tätschelte Elisabeth am Arm. »Und machen Sie
sich keine Sorgen wegen der armen, kleinen Trista. Sie ist ganz harmlos, müssen
Sie wissen.«
    Kaum waren
die beiden Frauen gegangen, da lief Elisabeth zu
dem altmodischen, schwarzen Telefon auf dem Tisch in der Diele und wählte Rues
Nummer in Chicago.
    Ein
Anrufbeantworter meldete sich beim dritten Rufzeichen. »Hallo! Wer immer Sie
sind«, sagte Rues Stimme energisch, »ich bin wegen eines Spezialprojekts verreist
und weiß nicht, wie lange ich diesmal fort sein werde. Falls Sie planen, meine
Wohnung auszurauben, vergessen Sie bitte die Couch nicht. Falls Sie es nicht
planen, hinterlassen Sie Ihren Namen und Ihre Telefonnummer, und ich setze
mich mit Ihnen so bald wie möglich in Verbindung. Ciao, und vergessen Sie
nicht, auf den Pfeifton zu warten.«
    Elisabeths
Kehle war wie zugeschnürt. »Hallo, Rue! Hier ist Beth. Ich bin in das Haus
gezogen und ... Nun ja, ich würde gern mit dir reden, das ist alles. Könntest
du mich anrufen, sobald du zurückkommst?« Elisabeth nannte die Nummer und legte
auf.
    Jonathan Fortner rieb sich die schmerzenden
Nackenmuskeln, während er müde durch die Dunkelheit auf das erleuchtete Haus
zuging. Seine Arzttasche wirkte schwerer als sonst, als
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