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Linda Lael Miller

Linda Lael Miller

Titel: Linda Lael Miller
Autoren: Hundert Jahre Zaertlichkeit
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stand zwischen den beiden vom Boden bis zur Decke
reichenden Fenstern mit den Vorhängen aus Nottinghamspitze. Zwei mit blauem
Samt bezogene Queen-Anne-Sessel standen vor dem kleinen aus Ziegeln gemauerten
Kamin, und eine Chaiselongue mit cremefarbenem Brokat zierte die gegenüberliegende
Wand. Es gab auch einen Schreibtisch – Verity hatte ihn Sekretär genannt – und
einen Schminktisch mit einem Sitz, der mit gestickten Rosen bespannt war.
    Elisabeth
setzte sich und öffnete mit leicht zitternder Hand das Schmuckkästchen. Veritys
antike Lieblingshalskette, die sie von einer Freundin erhalten hatte, lag
darin.
    Elisabeth
zog die Brauen zusammen. Seltsam, dachte sie. Sie hatte gedacht, Rue hätte die
zierliche, filigrane Halskette genommen, da sie diejenige war, die Schmuck
liebte. Veritys bescheidenes Vermögen – das Haus, die Möbel, ein paar
Schmuckstücke und ein kleiner Treuhandfond – war Elisabeth und Rue zu gleichen
Teilen hinterlassen worden, und die Kusinen hatten es unter sich aufgeteilt.
    Vorsichtig
öffnete Elisabeth den Verschluß, legte die Kette um
ihren Hals und lächelte traurig, als sie sich an Veritys Versicherung
erinnerte, der Anhänger würde magische Kräfte besitzen.
    In dem
Moment läutete das Telefon und ließ sie zusammenzucken, obwohl ihr der Makler
gesagt hatte, daß es angeschlossen worden war. »Hallo?«
    »Also hast
du es in einem Stück geschafft.« Die Stimme gehörte Janet Finch, einer von
Elisabeths engsten Freundinnen. Janet und sie hatten gemeinsam an der
Hillsdale-Volksschule im nahen Seattle unterrichtet.
    Elisabeth
sackte ein wenig in sich zusammen, während sie in den Spiegel starrte. Die
Halskette paßte so gar nicht zu ihrem Seahawks-Sweatshirt. »Du tust so, als
wäre ich durch einen Kugelhagel hierher gekrochen«, entgegnete sie. »Es geht
mir gut, Janet, wirklich.«
    Janet
seufzte. »Eine Scheidung ist schmerzlich, selbst wenn es deine Idee war«,
behauptete sie. »Ich hätte es einfach besser gefunden, wenn du in Seattle
geblieben wärst, wo du deine Freunde hast. Ich meine, wen kennst du schon in
dieser Stadt?«
    Es stimmte,
daB ihre meisten Freunde von Pine River weggezogen waren. »Ich kenne mich
selbst«, antwortete sie. »Und die Buzbee-Schwestern.«
    Trotz ihrer
Sorge lachte Janet. Auch wenn sie wie Elisabeth knapp dreißig war, konnte sie
manchmal ein richtiger Brummbär sein. »Die Buzbee-Schwestern? Ich glaube nicht,
daß du mir von ihnen erzählt hast.« Elisabeth lächelte. »Natürlich habe ich.
Sie wohnen auf der anderen Straßenseite. Sie sind alte Jungfern, aber auch
Abenteuerinnen. Laut Tante Verity waren sie überall auf der ganzen Welt – sie
waren sogar beide beim Friedenscorps.«
    »Faszinierend«,
sagte Janet.
    »Wenn du zu
Besuch kommst, stelle ich dich vor«, versprach Elisabeth und unterdrückte
mühsam ein Gähnen.
    »Wenn das
eine Einladung ist, greife ich natürlich sofort zu«, erwiderte Janet rasch. »Ich
komme am Freitag abend und bleibe über das Wochenende, um dir zu helfen, dich
häuslich einzurichten.«
    Auch wenn
sie Janet sehen wollte, hätte Elisabeth das erste Wochenende doch lieber allein
mit ihren Gedanken verbracht. »Ich mache Spaghetti und Fleischklöße«, sagte
sie resigniert. »Ruf mich an, wenn du Pine River erreicht hast, ich beschreibe
dir dann den Weg.«
    »Nicht
nötig. Du hast in diesem Haus geheiratet, und ich war dabei, falls du das
vergessen haben solltest.«
    »Dann freue
ich mich auf Freitag«, sagte Elisabeth und legte nach einer schnellen Verabschiedung
auf.
    Mit einem
Seufzer der Erleichterung ließ Elisabeth sich auf das Bett sinken, streckte
sich aus und blickte zu dem kunstvoll bestickten Baldachin hoch. Sie mußte ihre
Augen für ein paar Sekunden ausruhen.
    Elisabeth mußte eingeschlafen sein, denn als
die Musik sie weckte, fiel weniger Sonnenschein in den Raum, und es war kühl.
    Musik ...
    Elisabeths
Herz schlug bis zu ihrer Kehle hinauf, als sie sich aufsetzte und umschaute. Es
gab kein Radio und keinen Fernseher im Raum, und doch drangen die fernen,
märchenhaften Klänge eines Klaviers an ihre Ohren, begleitet von der Stimme
eines Kindes.
    Funkle, funkle, kleiner Stern,
    ich möchte sehen dich so gern ...
    Verwirrt kletterte Elisabeth aus dem Bett
und wollte den Klängen folgen, aber die verstummten, als Elisabeth den
Korridor erreichte.
    Trotzdem
eilte sie die Treppe hinunter.
    Der kleine
Salon mit Tante Veritys Spinett war leer, und das Spinett selbst war unter
einer Abdeckhaube verborgen.
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