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Linda Lael Miller

Linda Lael Miller

Titel: Linda Lael Miller
Autoren: Hundert Jahre Zaertlichkeit
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Elisabeth überprüfte das große, altmodische Radio
in dem Wohnraum und den tragbaren Fernseher auf der Küchentheke.
    Keines der
Geräte war eingeschaltet.
    Vielleicht
hatten ihre Freundinnen wirklich Grund zur Sorge. Vielleicht wirkte sich die
Scheidung stärker auf sie aus, als sie gedacht hatte.
    Fünf
Minuten später hatte sie sich dazu durchgerungen, nach
Pine River zu fahren und einzukaufen. Da sie die Schuhe oben gelassen hatte,
ging sie die hintere Treppe hinauf.
    In dem
Moment, als Elisabeth den ersten Stock erreichte, erklang die Klaviermusik
wieder laut und deutlich, donnernd und mißtönend. Elisabeth erstarrte, ihre
Finger um Tante Veritys Anhänger geschlungen.
    »Ich will nicht mehr üben«, sagte
eine quengelige Kinderstimme. »Es ist draußen sonnig, und Vera und ich machen
ein Picknick am Bach.«
    Elisabeth
schloß die Augen und kämpfte um ihr Gleichgewicht. Die Stimme kam genau wie die
Musik von der anderen Seite der Tür, über die Tante Verity so viele Geschichten
erzählt hatte.
    So
aufwühlend das Erlebnis auch war, Elisabeth verspürte nichts Böses. Es war nur
ihr Geisteszustand, den sie
fürchtete, nicht die Geister, die angeblich dieses alte Haus bevölkerten.
Vielleicht war ja in ihrem Fall die Folge eines zerbrochenen Traums ein
zerbrochener Verstand.
    Sie packte
den Türknauf und rüttelte heftig. Es war hoffnungslos, da die Tür vor langer
Zeit versiegelt worden war, aber Elisabeth gab nicht auf. »Wer ist da?« schrie
sie.
    Sie war
nicht verrückt. Irgend jemand spielte ihr einen grausamen Streich.
    Schließlich
ließ sie den Knauf los und fragte noch einmal klagend: »Bitte, wer ist da?«
    »Nur wir,
meine Liebe«, antwortete eine süße weibliche Stimme von der Haupttreppe her.
Die Musik war zu einem Echo verhallt, das vielleicht nur in Elisabeths Gedanken
existierte.
    Sie drehte
sich mit einem schwachen Lächeln um und sah die Buzbee-Schwestern, Cecily und
Roberta, in ihrer Nähe stehen.
    Roberta,
die größere und aufgeschlossenere der beiden Schwestern, hielt eine zugedeckte
Backform und blickte sie forschend an. »Ist mit Ihnen alles in Ordnung,
Elisabeth?« fragte sie.
    Cecily
betrachtete Elisabeth mit großen blauen Augen. »Diese Tür führte in den alten
Teil des Hauses«, sagte sie. »In den Abschnitt, der 1892 ausbrannte.«
    Elisabeth
kam sich albern vor. »Miss Cecily, Miss Roberta, freut mich, Sie zu sehen.«
    »Wir haben
Ihnen Cecilys Rindfleischkasserolle gebracht«, erklärte Roberta. »Meine
Schwester und ich dachten, Sie wollten am ersten Abend nicht kochen.«
    »Danke«,
sagte Elisabeth voller Unbehagen. »Möchten Sie Kaffee?«
    »Wir würden
nicht im Traum daran denken zu stören«, sagte Miss Cecily.
    Elisabeth
ging zu der hinteren Treppe. »Sie stören nicht. Es freut mich wirklich, Sie zu
sehen, und es war so aufmerksam von Ihnen, Essen mitzubringen.«
    In der Küche
fand Elisabeth ein Glas mit Kaffee, wahrscheinlich noch von Rue. Während das
Wasser auf dem Herd in einem Kupferkessel heiß wurde, saß sie mit den
Buzbee-Schwestern an dem alten Eichentisch in der Frühstücksecke.
    Sie wich
dem Thema ihrer Scheidung aus, und die Buzbee-Schwestern waren zu gut erzogen,
um danach zu fragen. Die Schwestern versicherten, wie sehr sie sich freuten,
daß das alte Haus wieder bewohnt war. Und die ganze Zeit trieben die Stimme des
Kindes und die Musik wie Schleier eines halb vergessenen Traums durch
Elisabeths Gedanken.
    Funkle,
funkle ...
    Trista Fortners schlanke Finger stockten
auf den Klaviertasten. Irgendwo im ersten Stock knarrte eine Tür in den
Angeln. »Wer ist da?« rief eine Frauenstimme.
    Trista
stand von der Klavierbank auf, strich ihre frisch gebügelte Schürze glatt und
kletterte die Treppe hinauf.
    Die Tür
ihres Schlafzimmers klapperte förmlich im Rahmen, der Türknauf drehte sich wild
hin und her, und Tristas braune Augen weiteten sich. Sie hatte zuviel Angst, um
zu schreien, und sie war zu neugierig, um wegzulaufen. Also stand sie einfach
da und starrte.
    Die Frau
sprach wieder. »Bitte, wer ist da?«
    »Trista«,
antwortete das Kind leise und fand den Mut, den Knauf zu berühren und zu
drehen. Gleich darauf spähte sie
um die Türkante.
    Es war
nichts zu sehen außer ihrem Bett, dem Puppenhaus, der Tür zu ihrer privaten
Treppe, die in die Küche führte, und der großen, hölzernen Garderobe, in der
ihre Kleider untergebracht waren.
    Gleichzeitig
enttäuscht und erleichtert schloß die Achtjährige wieder die Tür und ging nach
unten zurück
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