Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lilly Höschen (01): Walpurgismord

Lilly Höschen (01): Walpurgismord

Titel: Lilly Höschen (01): Walpurgismord
Autoren: Helmut Exner
Vom Netzwerk:
Telefons meldete sich eine schwäbelnde Stimme:
    »Ja du bisch gut. Wenn du mir gesagt hättsch, dass du gebacken hasch, dann würd i sofort kommen. Was isch denn los?«
    »Das erzähle ich dir, wenn du hier bist. Ich bin heute weder zum Backen noch zum Kochen gekommen. Mein Magen hängt bald auf den Füßen.«
    »Um Gottes Wille, und das, wo du sowieso nur eine halbe Portion bisch. I bin gleich da.«
    Lilly hatte nicht viele Freunde, aber Eddy gehörte zu diesem kleinen Kreis von Vertrauten. Vor fünfundzwanzig Jahren war er seiner großen Liebe von Schwaben in den Harz gefolgt. Eines Tages wurde er ihr als neuer Kollege am Gymnasium vorgestellt. Zu jener Zeit mokierten sich die Lehrer über die grässliche Mundart, die im Harz gesprochen wurde. Es wurde versucht, im Unterricht jedes harzerische Idiom auszumerzen. Nur Lilly war da ganz anderer Meinung. Sie liebte Dialekte. Für sie gehörte das einfach zur Identität einer Region. Als Eddy Kiederer sich im Lehrerzimmer in seinem besten Schwäbisch über die Harzer Mundart lustig machte, sagte Lilly:
    »Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht nur nicht mit Steinen werfen, sondern auch Hochdeutsch lernen.«
    »Ja, wenn alle so reden würden wie die Harzer und wenn...».
    »Und wenn dies und wenn das«, fiel Lilly ihm ins Wort und fügte in nachgestelltem Schwäbisch hinzu:
    »Und wenn dei Schwänzle a Propeller wär, dann wersch an Hubschrauber.«
    Jetzt konnte sich niemand mehr vor Lachen halten. Selbst der sonst so trockene Direktor, der kaum einen Funken Humor hatte. Eddy gehörte zu den wenigen Kollegen, zu denen Lilly jemals eine freundschaftliche Beziehung entwickelte. Beide waren auf ihre Art Originale. Der Schwabe Eddy, von dem Lilly sagte, du kackst auf den Pfennig und triffst den Rand nicht , und Lilly, die ihren Freund mit ihrer Penetranz gelegentlich auf die Palme bringen konnte. Eddys Frau war inzwischen verstorben, aber er blieb im Harz, hatte ein kleines Haus in Lautenthal und war Lilly auch nach seiner Pensionierung eng verbunden.
    Als beide auf dem Balkon saßen, berichtete Lilly ihrem Freund, der ein paar Jahre jünger war als sie, was sie seit der Gerichtsverhandlung alles erlebt hatte.
    »Mein Gott, Lilly, jetzt treibst du dich schon mit Mördern herum.«
    »Ganz und gar unfreiwillig«, erwiderte diese. »Aber es gibt da noch etwas, was ich keinem erzählt habe, auch nicht dem Kommissar.«
    Nun erzählte sie ihrem Freund von dem Treffen mit Staatsanwalt Gutbrodt und Eddy schüttelte mit dem Kopf:
    »Lilly, das musst du dem Kommissar berichten. Wer weiß, vielleicht ist er der Mörder. Und möglicherweise bist du in Gefahr.«
    »Ich werde selbst entscheiden, wem ich wann was sage. Und du wirst mein Geheimnis hüten. Meinetwegen kannst du darüber sprechen, wenn mir tatsächlich etwas zustoßen sollte. Aber das glaube ich nicht. Im Moment geht es mir darum, dass Amadeus nicht erfährt, was Gutbrodt mir erzählt hat. Wer weiß, was dieser Mann sich da zusammengesponnen hat.«
    »Natürlich verspreche ich dir alles, was du willst, aber...«. Jetzt fuhr das Auto des Kommissars vor. Als er und seine Assistentin ausstiegen, winkte Lilly ihnen zu und rief:
    »Die Haustür ist offen. Kommen Sie herein.«
    Mit den Worten »Na, haben Sie den Mörder gefangen?“ begrüßte Lilly den Kommissar. Als sie am Esstisch Platz genommen hatten, antwortete dieser:
    »Nein, wir wissen noch nicht einmal, wer der Täter ist, wenngleich wir auch einen dringenden Verdacht haben.«
    »Sagen Sie bloß nicht, dass Sie Staatsanwalt Gutbrodt verdächtigen?«
    »Warum nicht? Er hat ein Motiv. Hass auf seine Frau, die nicht nur untreu war, sondern ihn überdies in der Öffentlichkeit unmöglich gemacht hat.«
    »Naja, unmöglich habe ja eigentlich ich ihn gemacht durch meine Aussage bei Gericht.«
    »Das stimmt allerdings. Und wir denken, dass Sie in Gefahr sein könnten.«
    »Aber haben Sie Gutbrodt denn nicht festgenommen, wenn Sie ihn für den Täter halten?«
    »Dazu müssten wir erst mal wissen, wo er ist. Seit gestern hat ihn kein Mensch mehr gesehen. Er war weder zu Hause noch bei der Arbeit. Er hat sich ein paar Tage Urlaub genommen und niemandem gesagt, wo er sich aufhält.«
    »Aber nur, weil ein Mensch ein Motiv hat, muss er doch nicht gleich der Täter sein.«
    »Wir haben mehr als nur das Motiv. An der Leiche wurde seine DNA festgestellt. Und hinter dem Gartenzaun, oben im Wald, wurde etwas gefunden, was ihm gehört.«
    »Aber, Herr Kommissar, so blöd ist selbst Herr
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher