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Life - Richards, K: Life - Life

Titel: Life - Richards, K: Life - Life
Autoren: Keith Richards
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zu ergattern.
    Es war Samstagnachmittag, und sie riefen in Little Rock an, um sich mit den Behörden zu besprechen. Statt uns einzusperren und die Bilder davon um die Welt zu schicken, behielten sie uns im Büro des Polizeichefs in milder »Schutzhaft«, was bedeutete, dass wir ein bisschen auf und ab gehen durften. Wo steckte Carter? Sein Büro war übers verlängerte Wochenende geschlossen, und Handys gab es damals noch nicht. Es dauerte eine ganze Weile, ihn aufzuspüren.
    In der Zwischenzeit versuchten wir, das restliche Zeug loszuwerden. Wir waren komplett zugedröhnt. Die Siebziger verbrachte ich in einem sagenhaften Rausch aus allerreinstem Merck-Kokain, dieser flaumweichen pharmazeutischen Droge. Freddie Sessler und ich marschierten aufs Klo, und unsere Aufpasser kamen nicht einmal mit. »Jesus Christus«, die Floskel, mit der Freddie jeden seiner Sätze begann, »bin ich vielleicht drauf.« Er hat Flaschen voller Tuinalkapseln dabei und es so eilig, sie runterzuspülen, dass ihm eine Flasche aus der Hand fällt und die ganzen türkisroten Pillen überall herumkullern, während er schon dabei ist, das Koks loszuwerden. Ich schmeiße inzwischen das Haschisch und Gras ins Klo, aber es lässt sich nicht runterspülen, es ist einfach zu viel Gras. Ich spüle und spüle, und plötzlich kommen diese Pillen in meine Kabine gerollt. Ich versuche sie aufzuheben und wegzuwerfen, aber es gelingt mir nicht ganz, weil sich zwischen meiner und der von Freddie eine weitere Kabine befindet, in der sich schließlich ungefähr fünfzig Pillen sammeln. »Jesus Christus, Keith!« - »Ganz ruhig, Freddie, ich hab meine alle, hast du deine?« - »Glaub schon.« - »Okay, dann gehen wir jetzt in die andere Kabine und räumen auf.« Es schneite Stoff, es war einfach unfassbar, in jeder
Tasche, überall steckte was. Ich wusste gar nicht, dass ich so viel Koks hatte!
    Das wahre Überraschungsei war Freddies Aktenkoffer, der sich noch ungeöffnet im Kofferraum befand und natürlich voller Kokain war. Den konnten sie gar nicht übersehen. Wir beschlossen, dass wir Freddie für diesen Nachmittag aus taktischen Gründen verstoßen und als Anhalter ausgeben würden. Selbstverständlich würden wir ihm bei Bedarf gern die Dienste unseres Rechtsberaters zur Verfügung stellen - sofern der Kerl denn endlich mal auftauchte.
    Wo war Carter bloß? Es würde schließlich seine Zeit brauchen, bis wir unsere Truppen aufgestellt hatten. Unterdessen schwoll die Bevölkerung von Fordyce zu einer Größe an, die Ausschreitungen befürchten ließ. Die Menschen kamen von überall her - Mississippi, Texas, Tennessee -, um sich das Schauspiel anzusehen. Doch ehe Carter, der irgendwo unterwegs war, aufgespürt war, würde sowieso nichts passieren. Sicher war er gar nicht weit weg, hatte bloß einen wohlverdienten freien Tag genommen. Es blieb also genug Zeit, um darüber nachzudenken, wie ich dermaßen sorglos hatte sein können, alle, aber auch wirklich alle Regeln zu vergessen. Wenn du nicht gegen das Gesetz verstößt, dann winken sie dich auch nicht raus. Die Bullen und erst recht die Südstaatenbullen haben nämlich ein ganzes Repertoire quasilegaler Tricks, um dich einzusperren, wenn ihnen danach ist. Kein Problem, dich schnell mal drei Monate hinter Gitter zu bringen. Deshalb hatte uns Carter auch empfohlen, die Interstate auf gar keinen Fall zu verlassen. Der Bibelgürtel war damals noch um einiges straffer gezogen.
    Auf den ersten Tourneen hatten unsere Reifen eine Menge Meilen gefressen. Raststätten waren Glückssache. Da musste man auf einiges gefasst und - vor allem - zu einigem bereit sein. Zum Beispiel Truckerkneipen, 1964,’65,’66 im Süden oder in Texas. Das
war bei weitem gefährlicher als sämtliche Innenstädte. Du kommst da rein, und da sitzen diese netten Jungs, und dir wird ganz langsam klar, dass du hier, in Gesellschaft der Trucker mit Bürstenschnitt und Tattoos, bestimmt nicht in aller Ruhe dein Essen verzehren wirst. Du stocherst nervös auf dem Teller herum und … »Äh, können Sie das einpacken, muss leider schon weiter.« Wegen der langen Haare riefen sie uns immer »Mädchen«. »Wie geht’s, Mädels? Kleines Tänzchen gefällig?« Haare … Wer hätte gedacht, dass solche Kleinigkeiten ganze Gesellschaften verändern können. Die Reaktionen, die wir hier im Süden erleben durften, kannten wir bestens von zu Hause, aus bestimmten Vierteln in London. »Hey, Süße«, und ähnliche Scheiße.
    Im Rückblick war es ein
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