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Life - Richards, K: Life - Life

Titel: Life - Richards, K: Life - Life
Autoren: Keith Richards
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einziger Kampf, aber wenn du mittendrin steckst, denkst du ganz anders. Zunächst waren das vollkommen neue Erfahrungen, und wir verschwendeten keinen Gedanken daran, was sie mit uns anstellen würden oder auch nicht. Man gewöhnte sich einfach daran. Irgendwann wurde mir klar, dass die Sache immer gleich viel besser lief, sobald sie merkten, dass wir Gitarren dabeihatten, also Musiker sein mussten. Moral: Nie ohne Gitarre in die Truckerkneipe. »Kannst du das Ding auch spielen, Junge?« Manchmal haben wir das sogar getan, haben die Gitarren rausgeholt und die Rechnung mit Musik beglichen.
    Du musstest aber nur über die Gleise, und schon gab es wirklich was zu lernen. Wenn wir mit schwarzen Musikern aufgetreten sind, haben die sich um uns gekümmert. Da hieß es einfach: »Hey, willst du heut noch einen wegstecken? Sie wird dich mögen. So was wie dich hat die in ihrem ganzen Leben noch nicht gesehen.« Du warst willkommen, es gab zu essen, und es gab Frauen. Die weiße Seite der Gleise war tot, aber auf der anderen Seite ging es echt ab. Wenn du die richtigen Leute kanntest, warst du dabei. Da konnte man echt was lernen.

    Manchmal hatten wir an einem Tag zwei oder drei Auftritte hintereinander. Keine langen Shows, nur zwanzig, vielleicht dreißig Minuten. Man wartete, bis man an der Reihe war, denn das Programm war meist bunt gemischt, Schwarze, Amateure, weiße Lokalgrößen, alles Mögliche.
    Wenn man runter in die Südstaaten fuhr, hörte es gar nicht mehr auf. Städte und Staaten sausten nur so vorbei. »White Line Fever« nennt man das. Bist du wach, starrst du auf diese weißen Streifen in der Mitte, bis einer sagt: »Ich muss mal« oder »Ich hab Hunger«. Dann geht man in diese kleinen Schuppen am Straßenrand. An diesen Nebenstraßen in North und South Carolina, Mississippi und so weiter. Du musst dringend mal aufs Klo und steuerst auf die Aufschrift »Men’s« zu, aber da steht ein riesiger schwarzer Kerl und sagt: »Nur für Farbige«, und du denkst: »Wer wird denn jetzt hier diskriminiert?« Du fährst weiter, an diesen kleinen Juke Joints vorbei, auf einmal hörst du diese wahnsinnige Musik, und aus den Fenstern dringt der Dampf.
    »Hey, lass uns da mal rausfahren.«
    »Könnte gefährlich werden.«
    »Mann, hör dir das doch an!«
    Und dann ist da eine Band, drei große schwere Schwarze, um die ein paar Nutten herumtanzen, denen die Dollarscheine im Tanga stecken. Also marschierst du rein, und die Raumtemperatur fällt schlagartig, denn bis dahin hatte sich noch kein einziger Weißer reingetraut. Aber die Schwarzen wissen, es ist einfach zu viel Energie im Raum, als dass die paar Weißen groß auffallen würden. Außerdem sehen wir nicht gerade aus wie die Jungs vom Dorf. Sie werden also neugierig, und bald wollen wir gar nicht mehr weg. Leider müssen wir weiter. Scheiße, ich hätte tagelang dableiben können. Aber keine Chance, trotz dieser reizenden schwarzen Damen, die dich zwischen ihren riesigen Titten schier ersticken. Wir
verabschieden uns, verschwitzt und in Parfüm getränkt; wir steigen ins Auto, wir riechen gut, und die Musik verklingt im Hintergrund.
    Für manche von uns muss es gewesen sein, als wäre man gestorben und im Himmel wieder aufgewacht. Im Jahr zuvor hatten wir noch in den Londoner Clubs gespielt, nicht dass das schlecht gewesen wäre, aber jetzt befanden wir uns an einem Ort, von dem wir nie gedacht hätten, dass wir ihn jemals sehen würden: im Bundesstaat Mississippi. Wir hatten diese Musik zwar gespielt, aber gaaanz ehrfürchtig … und nun konnten wir sie plötzlich auf der Zunge schmecken. Du träumst davon, dass du den Blues spielst, und im nächsten Augenblick bist du ein echter Bluesman, du bist verdammt noch mal mittendrin, und neben dir steht Muddy Waters. Es geht so schnell, dass du von all den Eindrücken komplett überfordert bist. Später, mit Hilfe von ein paar Flashbacks, kapierst du es irgendwann, aber zunächst ist das alles einfach zu viel auf einmal. Es ist eine Sache, ein Stück von Muddy Waters zu spielen, aber es ist ganz was anderes, mit Muddy Waters zu spielen.
     
    Bill Carter wurde schließlich in Little Rock aufgespürt, wo er im Haus eines Freundes beim Grillen war. Dieser Freund war passenderweise Richter, kein schlechter Zufall. Bill wollte ein Flugzeug chartern und den Richter gleich mitnehmen. Dieser Richter kannte den Polizisten, der unser Auto filzen sollte, und erklärte ihm am Telefon, dass die Polizei seiner Meinung nach dazu kein
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