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Liebling, Ich Kann Auch Anders

Liebling, Ich Kann Auch Anders

Titel: Liebling, Ich Kann Auch Anders
Autoren: Annette Kast-Riedlinger
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wohlerzogene Tochter meiner Eltern, sondern ich tu ausnahmsweise genau das, was ich will. Ich zeigte also dem Glatzen-Vertuscher die kühle Schulter und steuerte auf den Fremden zu.
    ›Darf ich mich zu Ihnen setzen?‹, fragte ich.
    Er schaute mich an. Erstaunt, wie mir schien, doch beeilte er sich, meine Frage zu bejahen. Ich quasselte einfach drauf los. Du kennst ja meine Art, Verlegenheit zu überspielen. ›Ich hab mir gedacht, nachdem Sie mir im Aufzug schon so angenehm aufgefallen sind, kann ich doch auch mit Ihnen frühstücken.‹
    Er wurde tatsächlich rot. Sagte, das sei aber ein nettes Kompliment und vertiefte sich in den hoch komplizierten Akt, ein Brötchen mit Butter zu beschmieren. Dennoch kam ein Gespräch in Gang. Wir erzählten uns gegenseitig, woher wir kamen und weshalb wir in Berlin waren. Er hatte was an der Uni zu tun, wegen irgendeines Forschungsprojekts, an dem er in Kiel arbeitet. Irgendwas, wovon ich nichts verstehe, was kompliziertes Physikalisches. Ich nickte zwar, bekam aber gar nicht so richtig mit, was er sagte, weil ich die ganze Zeit in sein Gesicht starrte. Diese Augen! So was von intensiv! Unglaublich! Und dabei ganz dunkel. Und der Mund: wunderschön gewellte Linien und ganz klar gezeichnete Konturen. Wir sprachen über Kiel, wo ich noch nie war und über München und Konstanz, wo er schon gewesen ist und wo es ihm sehr gut gefiel.
    Schließlich fragte er mich so komisch: ›Wann geht Ihr Flug?‹
    Ich sagte: ›Um halb fünf. – Und wann geht Ihr Zug?‹
    Er lächelt. ›Das kann ich nach Belieben einrichten.‹
    Es entstand eine lange Pause.
    ›Also‹, fing ich an, damit’s nicht peinlich wurde, ›falls Ihre Frage darauf abzielte, dass sie mit mir vielleicht noch irgendwo einen Kaffee trinken wollen …‹
    Er guckte zuerst angestrengt auf seinen Teller – wobei ihm ein paar seiner dunklen Locken in die Stirn fielen – und dann direkt in meine Augen. ›Nicht nur das‹, sagte er. Und er äußerte es mit seltsam heiserer Stimme.
    Und ich dachte, huch, der wird doch wohl nicht denken, was ich denke, was er denken könnte! Nein, sicher nicht, so ein wohlerzogener, schüchterner Mensch, aber es begann zu kribbeln.
    ›Ich wollte mir noch die eine oder andere Galerie ansehen und ein Museum besuchen. Wenn Sie mögen, können Sie mich gern begleiten‹, sagte ich so ruhig wie möglich.
    Er zögerte kurz, so als wollte er noch was entgegnen, nickte dann aber und meinte: ›Ja gern.‹
    ›Okay.‹ Ich blickte auf meine Uhr (die Jaeger le Coultre, die ich nach langem Bangen dank Francis’ diplomatischen Geschicks wiederhabe), ›treffen wir uns zwanzig vor elf in der Lobby! Ich muss noch packen und auschecken et cetera.‹
    Er hatte das alles schon hinter sich, war im Grunde startklar, bevor ich kam. Rasch stand er auf und verabschiedete sich. Ich sah ihm noch nach, stellte fest, dass mir sein Gang gefiel, was mir ja wichtig ist. Dann schaute ich zum Fenster raus, bemerkte, dass es ziemlich fies regnete und hoffte, er hätte einen Schirm.
    Das Ganze amüsierte mich ja schon, und ich war gespannt auf die Entwicklung der Dinge. In aller Ruhe setzte ich mein Frühstück fort und freute mich darüber, dass ich die nächsten Stunden in angenehmer Gesellschaft verbringen würde.
    Ich war gerade dabei, mit Messer und Gabel etwas Rührei im Kräuterquark auf einer Schwarzbrotscheibe zu versenken, als der nicht mehr ganz Fremde wieder auftauchte. Er trug eine Wetterjacke und wirkte ein wenig gehetzt. Oh, schade, dachte ich, jetzt ist ihm was dazwischen gekommen und er muss unsere Verabredung absagen. Er trat an den Tisch, neigte sich zu mir herab, schaute mich an und machte etwas Lippengymnastik. Ich merkte, dass er verlegen war und nicht wusste, wie er das sagen sollte, was er sagen wollte. Deshalb lächelte ich ihn aufmunternd an. Er blickte mir direkt in die Augen und sah dabei aus, als sei er arg in Bedrängnis. Aber dann kriegte ich doch was zu hören: ›Entschuldigen Sie bitte, Sie können mich gleich ohrfeigen oder beschimpfen, aber ich würde es mir mein Leben lang nicht verzeihen, wenn ich Sie jetzt nicht fragen würde …‹
    ›Ja?‹
    ›Was halten Sie davon, wenn Sie Ihren Flug umbuchen?‹
    Ich schaute ihn ziemlich entgeistert an. ›Und dann?‹
    ›Dann verbringen wir das Wochenende zusammen.‹
    Als Erstes musste ich lachen, denn was er sagte, war ja schon etwas kühn, aber nicht gerade unverfroren. Er schaute aber drein, als erwarte er Schläge oder ein
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