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Liebling, Ich Kann Auch Anders

Liebling, Ich Kann Auch Anders

Titel: Liebling, Ich Kann Auch Anders
Autoren: Annette Kast-Riedlinger
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schloss die Augen, trank andächtig ein Schlückchen und machte es sich lächelnd in ihrem Sessel bequem.
    »Wenn ich mir vorstelle, was für ein naives Schaf ich noch vor wenigen Monaten war!«
    Wenn sie nicht so zufrieden dreingeblickt hätte, wären mir in diesem Moment ernsthafte Bedenken gekommen, ob es gut war, sie über das Doppelleben ihres Mannes aufzuklären. Nach außen hin hatten die Weizeneggers ja stets die Modellfamilie verkörpert. Diese Frage hat mich schon oft umgetrieben: Ist es besser, unwissend glücklich zu sein – oder aufgeklärt und damit schockiert und zum Handeln gezwungen zu werden? Ich denke, das muss individuell entschieden werden. Einer Fünfundachtzigjährigen zu erklären, dass ihr Mann sie seit Jahrzehnten hintergangen hat, ergibt wenig Sinn. Aber einer intelligenten Enddreißigerin, die bislang alle eigenen Wünsche hinter die des windigen Partners gestellt hat, eröffnen sich jede Menge wunderbarer neuer Möglichkeiten.

     
    »Wie vermutet, fiel Magnus aus allen Wolken, als ich sein Zimmer betrat. – Günstigerweise liegt er allein, so dass ich keinerlei Rücksicht zu nehmen brauchte.
    Es geht ihm relativ gut. Äh …, was seine Gesundheit anbelangt. Die Brüche waren glatt, die Operation verlief ohne Komplikationen. Ansonsten … Offen gestanden musste ich mich sehr zusammenreißen bei diesem Besuch. Einerseits, um kein Mitleid aufkommen zu lassen, weil er sich ja trotz allem in einem beklagenswerten Zustand befindet. Und dann wieder, um nicht aus der Haut zu fahren, weil er immer noch versuchte, mich hinters Licht zu führen.«
    »Wenn Täuschen und Tricksen einen großen Bestandteil des Persönlichkeitsbildes ausmachen, lässt sich das halt nicht so schnell abstellen«, diagnostizierte Sibylle lebensklug.
    »Ja, vielleicht. Also, ich tu mich mit dem Schwindeln ja sehr schwer. Deswegen wählte ich Worte, mit denen ich eigentlich die Wahrheit sagte, die sich aber aus der Situation anders interpretieren ließen. Ich erzählte, es habe etliche Anrufe am Wochenende gegeben. Unter anderem von Frauen, die mir persönlich unbekannt seien … Na ja, eine hatte sich verwählt, eine wollte Marie-Rose sprechen, eine andere ein Interview führen … Mir sei auch mitgeteilt worden, dass er in Konstanz in der Klinik liege. Und darüber hinaus hätte ich erfahren, dass er in der Schweiz bei einem Meeting mit einer verblüffend großen Zahl an Frauen konfrontiert worden sei …«
    »Sehr gut, ausgezeichnet!«, lobte Sibylle.
    Eva sagte kein Wort. Ich sah ihr an, dass auch sie zwischen Mitgefühl und Zorn schwankte.
    »Dieser Schachzug setzte ihn im Grunde matt. Er hörte mir mit Leidensmiene unter Seufzern zu. Ich glaube, er fühlte sich erleichtert, dass ich kein größeres Spektakel anzettelte. – Und er war sogar froh, dass ich mich fürs Erste um die Organisation seines Chaos’ kümmere. Stellt euch vor: Er hatte noch nicht einmal seine Sekretärin informiert! Die kommt immerhin morgen ins Büro. In mancher Beziehung benimmt er sich wirklich wie ein Baby. Ein zwei Zentner schweres Baby!«
    Wir lachten alle, was die Anspannung etwas lockerte.
    »Ich habe dann mit seiner Sekretärin alles Notwendige besprochen. Sie ist überaus liebenswürdig und hilfsbereit und kommt in nächster Zeit auch gern öfter ins Büro. Morgen früh werde ich mich dann um einen entsprechenden Pflegedienst kümmern.«

    »Läuft ja alles prima! Nur zu dumm, dass ich von Donnerstag bis Montag einen geschäftlichen Termin wahrnehmen muss. Wie sieht’s mit dir aus?« Sibylle sah mich fragend an.
    »Ich würde gern noch bleiben, wenn das möglich ist.«
    »Wunderbar!« Diesmal sprachen Francis und Eva im Chor.
    Für meinen Roman war der Aufenthalt in der Villa absolut inspirierend, und an meiner Übersetzung konnte ich dort so gut wie in München arbeiten. Alles Weitere ließ sich per Telefon oder E-Mail klären.
    Wir stießen erneut an. Diesmal auf unsere fruchtbare Zusammenarbeit.
    »Und jetzt möchte ich wissen, was es mit Frau Keller auf sich hat«, forderte Eva.
    »Ach ja, sie ist wirklich eine reizende Dame.«
    »Zur Sache, Schätzchen!« Eva war ungeduldig.
    »Nun, die liebe Frau Keller ist eine alte Konstanzerin. Und sie verkehrte stets in der Gesellschaft, wenn sie es auch bedauert, dass die meisten Menschen, die ihr etwas bedeuteten, inzwischen nicht mehr leben … Kurz gesagt: Sie weiß bestens Bescheid, welche Immobilien Leuten gehören, deren, wenn nicht Tage, so doch Monate gezählt sind. Und
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