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Liebling, Ich Kann Auch Anders

Liebling, Ich Kann Auch Anders

Titel: Liebling, Ich Kann Auch Anders
Autoren: Annette Kast-Riedlinger
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individuellen Namen. Sibylle hat’s speziell mit Vögeln: Piephahn, Hahn, Gockel, Hendl – in Extremfällen Spatz oder Truthahn.

     
    »Da war dieser Industriemagnat«, präzisiert sie ihre Reinfallsgeschichte, »ein sehr guter Klient, der mir höchst aufmerksam den Hof machte. Ich ließ ihn lange zappeln. Als er mich dann nach unserer geschäftlichen Beziehung zu einem Urlaub auf Barbados einlud, gab ich nach. Der Typ hatte eine Nase! Schon fast einen Rüssel! Ein Mordskinn und große Füße – richtige Quanten. Und dann …« Sie wird von einem Lachkrampf geschüttelt. »Also, wenn ich Entsprechungen an seinem Körper gesucht hätte, da gab’s tatsächlich was: seinen Daumen. Eins zu eins!«
    Wieder lachen und kichern wir wie Schulschwänzerinnen. Alle drei. Und fühlen uns auch nicht viel anders. Und das tut gut.
    Eva gießt Champagner, und wir schieben Kaviar nach. Sibylle fuchtelt in der Luft rum und deutet auf ihren Mund. Sie hat noch was zu sagen, will aber nicht mit vollem Mund sprechen. Dann ist sie so weit: »Das Beste war aber, dass er mir treuherzig berichtete, er habe früher immer Komplexe gehabt wegen seines kleinen Freundes. Dann sei er aber dahintergekommen, dass die Mädels das so viel lieber mögen …«
    »Oho, und hast du ihn aufgeklärt?«
    »Nein, soll er ruhig mit dieser Illusion sterben. Er war ja sonst ein ganz Netter. Aber sein Name hätte mich warnen sollen. Er hieß – Stoppel …«
    Wieder brechen wir in Gelächter aus.
    Dann entsteht ein Moment des Schweigens. Vielleicht durchforsten die beiden anderen genau wie ich den Bekanntenkreis nach verräterischen Namen.
    »Vermutlich gibt’s tatsächlich Frauen, die lieber zierliche Schwänchen mögen«, meint Eva nach einer Weile.«
    »Klar, manchen ist es lieber, je weniger sie spüren und je schneller es vorbei ist«, sage ich in Erinnerung an die sexualfeindlichen Kommentare meiner Mutter.
    »Es ist wohl auch eine Frage der Größenverhältnisse«, wendet Eva ein. »Im Kamasutra werden Männer und Frauen ja nach der anatomischen Ausstattung ihrer Sexualorgane Yoni und Lingam in jeweils drei Gruppen unterteilt: Gazelle, Stute und Elefantenkuh stehen Hase, Stier und Hengst gegenüber. Und die neun möglichen Varianten der Vereinigung werden als unterschiedlich günstig empfohlen.«
    »Dann war dein Herr Stoppel ein Hoppel …«
    »Nach meinen Beobachtungen gibt’s kein zuverlässiges Indiz für die Größe des Gockels. Die Hände noch am ehesten, aber dafür würde ich keine ins Feuer legen.«
    »Die Ohrläppchen«, sagt Eva. »An außergewöhnlich potenten Männern mit großen Schwänen sind mir jedes Mal große, pralle Ohrläppchen aufgefallen.«
    »Aha, und wie viele waren das?«, erkundigt sich die dreistellige Expertin.
    Eva lacht. »Zwei.« Sie verschwindet in der Küche, und Sibylle nutzt die Gelegenheit, um mir ein paar ganz persönliche Tipps zu geben. »Du solltest dein Haar blondieren!«
    Ich habe rehbraunes Haar und ich finde, es steht mir.
    »Und einen pfiffigeren Schnitt könntest du auch vertragen. Schau dir mal Meg Ryan an in ›Sleepless in Seattle‹! Ist zwar lange her, aber so gut hat sie nie wieder ausgesehen. Du könnest derselbe Typ sein, wenn du wolltest. Ich muss mich wohl mal um dich kümmern.«
    Meine Lust, als drittklassiger Abklatsch der Juniorversion eines Filmstars rumzurennen, hält sich in sehr engen Grenzen. Ich sehe mich eher als die Erwachsenenversion von Pippi Langstrumpf. Aber andererseits muss ich vielleicht umdenken. Im Interesse meiner Altersversorgung …
    Sibylle, von Natur aus dunkelblond, flachbrüstig und grauäugig, kommt goldblond, quellbusig und veilchenäugig daher. Sie residiert im eigenen Penthouse, fährt jeweils das neuste Porschemodell, trägt Designermoden, besitzt wertvollen Schmuck. Und mit jedem neuen Mann, der in ihr Leben tritt – sei’s als Klient oder als zeitweiliger fester Partner – mehrt sich ihr Wohlstand. Sie muss irgendwas richtig machen, was wir falsch machen.
    Eva und ich nämlich, die gegenüber Männern auf sämtliche Tricks, Täusch- und Tarnmanöver verzichten, wohnen billig zur Miete, halten uns mit den Einkünften aus geistiger Arbeit lediglich passabel über Wasser, fahren Mittelklassewagen älteren Baujahrs, kaufen Designer-Klamotten allenfalls secondhand, und in Beziehungen waren wir bislang immer diejenigen, die in jeder Hinsicht drauflegten.
    Eva idealisiert ihre Partner immer weit über deren tatsächliche Qualitäten hinaus. Aber das ist
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