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Liebling der Götter

Liebling der Götter

Titel: Liebling der Götter
Autoren: Tom Holt
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etwas zu spät dafür, fürchte ich. Ein Typ aus Chicago will wissen, wie die Bears diese Saison abschneiden. Außerdem war hier eine Gruppe britischer Yuppies, allesamt mit Mobiltelefonen bewaffnet, die wissen wollte – ich hoffe, ich habe das nicht falsch verstanden –, ob es ein geeigneter Zeitpunkt zum Verkauf von Geldaktien sei.«
    »Goldaktien«, korrigierte Apollo sie und fügte mit einem abfälligen Grinsen hinzu: »Wenn die Typen zurückkommen, sag ihnen, sie sollen verkaufen. War noch was?«
    »Nein, ich glaube, das war alles. Ach ja, da war noch eine Frau, die sich nach ihrem Sohn erkundigte. Das Kind schien sie ziemlich auf die Palme gebracht zu haben. Für mich hörte sich das eindeutig nach Hyperaktivität an, zuviel Schokolade. Phyllis Soundso.«
    Apollo starrte die Sibylle verdutzt an. »Phyllis Derry etwa?« wollte er wissen.
    »Genau. War das was Wichtiges?«
    »Wann ist das gewesen?« hakte er sofort nach, ohne auf die Frage einzugehen.
    »Etwa gegen« – die Sibylle blickte auf ihre Armbanduhr, die zwei konzentrische Zifferblätter hatte; eins für die menschliche und eins für die göttliche Zeit –, »gegen Januar. Tut mir leid, aber du hast nichts davon gesagt, daß du jemanden erwartest …«
    »Schon gut, habe ich auch nicht. Aber hat die Frau eine Telefonnummer hinterlassen?«
    »Ich glaube, ja«, antwortete die Sibylle und durchblätterte das Notizbuch. »Ah, da ist sie schon … nein, das ist die Nummer vom Delphi-Pizza-Dienst. Warte, ich hab’s gleich …«
    Apollo runzelte die Stirn. Irgend etwas regte sich nervös unter der Erdkruste, und auf dem gegenüberliegenden Berghang dörrten in Sekundenschnelle etliche der riesigen Olivenbäume aus.
    Die Sibylle schluckte aufgeregt. Als sie endlich die richtige Seite entdeckt hatte, rief sie erfreut aus: »Da, ich hab sie! Die Nummer lautet … Guck mal, ist das eine Fünf oder eine Drei?«
    »Woher soll ich das denn wissen?« Der Gott reagierte ungehalten, und kurzzeitig drohte der EG-Olivenölsee für den ungefähren Zeitraum eines Jahres gänzlich auszutrocknen.
    »Ich glaube, das ist eine Fünf«, entschied sich die Sibylle verlegen. Dann schrieb sie die Nummer noch einmal sauber auf, riß die Seite heraus und übergab sie dem Gott, der sich bei ihr mit einem grimmigen Lächeln bedankte.
    »Falls die Frau noch mal vorbeischaut, laß es mich bitte umgehend wissen«, sagte er.
    »Und wie?« erkundigte sich die Sibylle mit leicht zitternder Stimme.
    Für einen Augenblick blickte Apollo etwas verdutzt drein, dann fauchte er sie an: »Laß dir gefälligst etwas einfallen!« Gleich darauf verwandelte er sich in einen Bienenschwarm und schwirrte summend davon.
    »Ich wünsche dir noch einen schönen Tag!« rief ihm die Sibylle hinterher und schrieb dann in ihr Notizbuch: Sobald Phyllis Derry noch mal vorbeischaut, sofort A. benachrichtigen. Danach spazierte sie langsam in die entgegengesetzte Richtung davon und dachte (nicht zum erstenmal) darüber nach, daß sie diesen miesen Job eigentlich nie gewollt hatte. Zum Teil lag das an dem gestörten Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften – Frauen, die die Jahre hindurch Apollo beleidigt hatten, fanden sich stets in blühende Büsche verwandelt wieder, und Ms. Fisichelli, die aus New York stammte, wo man solchen Dingen nicht allzuviel abgewinnen kann, schauderte vor dem Gedanken. In Wisconsin hatte sie eine Kusine namens Myrrhe Rose, was nach ihrem Dafürhalten als familiärer Beitrag zur Erhaltung der Pflanzenwelt reichen sollte. In erster Linie machte ihr allerdings dieses niederschmetternde Gefühl zu schaffen, zehn Jahre lang an den besten Universitäten studiert und sogar ihren Doktor in klassischer Philologie gemacht zu haben, um letztendlich als bessere Empfangsdame zu enden. Wie sie sich nur allzugut erinnerte, hatte sie schon etliche Male den Punkt erreicht gehabt, alles aufzugeben und Apollo zu sagen, er könne sich seinen gottverdammten Job sonstwo hinstecken. Aber kaum erblickte sie in einer solchen Stimmung eine Waldrebe oder Glyzinie, pflegte sie ihren Entschluß auf den nächsten Tag zu verschieben. Wenn sie sich selbst gegenüber ehrlich sein wollte, störte sie allerdings am meisten die Tätigkeitsbeschreibung. Natürlich wird die Oberpriesterin des Delphischen Orakels nicht als Sibylle bezeichnet, denn die korrekte Bezeichnung lautet Pythia. Doch mit der Tatsache, als eine Art Wahrsagerin dazustehen, war für Ms. Fisichelli, die auch nur ein Mensch war –
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