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Liebling der Götter

Liebling der Götter

Titel: Liebling der Götter
Autoren: Tom Holt
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Weisheit. »Jetzt rück bitte ein Stück rüber, Apo. Da draußen ist es alles andere als gemütlich.«
    »Hier ist es auch nicht gerade anheimelnd«, grummelte Apollo achselzuckend, und Minerva stellte fest, daß seine Augenbrauen bereits versengt waren. »Hier habe ich nur ein besseres Gefühl, das ist alles.«
    Jenseits der Kristallfenster erschien plötzlich in der Dunkelheit ein Komet, der kurz und heftig aufglühte und sich schließlich selbst auslöschte.
    Apollo entspannte sich ein wenig. »Ich finde, daß Tante Ju manchmal übers Ziel hinausschießt«, meinte er.
    »Das ist doch noch gar nichts. Weißt du noch, als Vulcanus geboren wurde und Jupp ihn gleich darauf auf die Erde runtergeschmissen hat?« flüsterte Minerva.
    »Und ob ich das noch weiß«, winkte Apollo ab. »Was glaubst du eigentlich, wer den Sterblichen auf Lemnos damals erklären mußte, warum sie plötzlich an einer Stelle auf ihrer Insel ein Tal hatten, wo kurz zuvor noch Berge standen?«
    »Ach, das hatte ich schon ganz vergessen.«
    »Ich kann dir sagen, leicht war das nicht, Mini«, fuhr Apollo fort. »Schließlich setzt man mit so was sein Prestige aufs Spiel. Man kann nicht einfach losziehen und den Sterblichen erzählen, ihre Insel sei von einer herabstürzenden Gottheit plattgemacht worden. Das riefe bei denen sofort Widerspruch hervor. Zum Beispiel: ›Dann schaut gefälligst hin, wo ihr mit euren riesen Quadratlatschen hintretet‹ und so weiter. Jedenfalls kann man auf diese Weise eine ganze Menge Respekt einbüßen.«
    Minerva nickte. »Glücklicherweise brauchen wir uns heutzutage kaum noch Gedanken um solche Dinge zu machen«, sagte sie und fügte leise flüsternd hinzu: »Und wenn es doch mal passiert, dann liegt es eigentlich immer an ihm, findest du nicht auch?«
    Apollo blickte sich vorsichtig nach hinten um, dann nickte er zustimmend. »Das ist einfach nicht fair, und immer kriegen wir die Schuld. Ich nehme an, deshalb mußten wir damals auch gehen.«
    Minerva seufzte. »Vermißt du unser altes Zuhause?«
    »Manchmal schon«, räumte Apollo ein. »Ich meine, in gewisser Weise ist das hier alles ganz in Ordnung, aber …«
    Beide duckten sich instinktiv, als ein glühender Magmaklumpen über ihre Köpfe hinwegfegte und kurz darauf explodierte. Aus weiter Ferne ertönte mit der Wucht eines Erdbebens eine weibliche Stimme, die sich gerade Selbstvorwürfe machte, warum sie nie auf ihre Mutter gehört habe.
    »Was mich wirklich interessiert: Wer von den beiden erhält das Sorgerecht für die Parzen, falls sie sich wirklich trennen sollten?« flüsterte Minerva.
    Plötzlich herrschte Stille. Totenstille.
    »Da wir gerade davon sprechen!« ertönte eine furchterregende Stimme. »Wer läßt eigentlich jedesmal die abgeschnittenen Fußnägel auf dem Schlafzimmerteppich herumliegen, wenn sie gerade …«
    Ein grellroter Lichtblitz flammte auf, gefolgt von einem dumpfen Donnerstoß, durch den die Monde des Pluto um ihre eigene Achse ins Trudeln gerieten.
    »Tante Ju hat mal wieder mit dem Wasserkessel nach ihm geworfen«, stellte Minerva fest.
    »Und offensichtlich nicht getroffen«, fügte Apollo hinzu. »Komm, Mini, wir sollten lieber verschwinden, bevor es zu spät ist.«
    Die beiden sprangen auf und liefen in geduckter Haltung zu den Stallungen hinüber.
    »Nehmen wir lieber meinen Wagen, der ist schneller«, schlug Apollo vor.
    Minerva nickte. Ihr Wagen wurde von vier weißen Eulen gezogen – was zwar für eine Exgöttin der Weisheit durchaus angemessen, für eine elegante Flucht allerdings eher hinderlich schien.
    Erst als sie an den Venusmonden vorbeigezogen waren, wagten es die beiden, sich noch einmal nach hinten umzugucken. Selbst aus dieser Entfernung hörten sie eine schrill kreischende Stimme, die mit der harschen Wucht einer Lawine darauf beharrte, daß sie nach dem Baden wenigstens nicht jedesmal und überall auf den Fußbodenkacheln nasse Fußstapfen hinterlasse.
    Minerva zuckte zusammen und seufzte: »Und dann wundern sich die Leute doch allen Ernstes, warum ich nie geheiratet habe.«
    Stellen Sie sich, wenn Sie können (falls nicht, ist das auch keine Schande), den höchsten Punkt der kaukasischen Berge vor. Malen Sie sich zusätzlich die kahlen Felsen, die schwindelerregenden Schluchten und das blendende Weiß des Schnees aus.
    Über dem allerhöchsten Gipfel ragt eine menschliche Gestalt empor. Die Umrisse sind menschlich, aber am Gesamtumfang stimmt irgend etwas nicht; dieses Wesen ist riesig und erstreckt sich
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