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Liebling der Götter

Liebling der Götter

Titel: Liebling der Götter
Autoren: Tom Holt
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jedenfalls hauptsächlich –, die Unzumutbarkeitsgrenze erreicht.
    Eine kleine amerikanische Dame, die Ms. Fisichelli irrtümlich für eine Fremdenführerin hielt, tippte ihr sachte auf den Arm. Die Sibylle drehte sich um und blickte die Frau entnervt an.
    »Entschuldigen Sie bitte, aber glauben Sie, daß es heute noch Regen gibt?« erkundigte sich die amerikanische Dame höflich bei ihr.
    Ms. Fisichelli lächelte in sich hinein. Der Gott hatte ihr zwar die Gabe der Prophezeiung verliehen, aber na und?
    »Nein«, log sie.

 
     
    Am Anfang war das Wort. Zwar weiß niemand, um welches Wort es sich dabei handelte, aber es wäre ein angenehmer Gedanke, wenn das Wort ›Verzeihung‹ geheißen hätte.
    Nach einer Weile begann sich das Wort zu langweilen. Es überprüfte seine Rechtschreibung, aber die war in Ordnung. Es versuchte, sich mit sich selbst zu reimen, kam aber schon bald dahinter, daß man auf diese Weise notgedrungen einseitig wurde. Es setzte sich in Kursivschrift, aber das tat weh. Letztlich blieb ihm nichts anderes übrig, als ein paar andere Wörter zu kreieren und abzuwarten, was geschah.
    Zunächst einmal prallten die Wörter wie ein Haufen zielloser Teilchen aufeinander, kleine Stückchen, Ecken und Enden wurden abgestoßen, fielen in den Weltraum und wurden zu Materie. Dann beschlossen die meisten der Urworte, eine Art Syndikat zu bilden, sich in weiße Schale zu werfen und aus den Adjektiven das Fruchtfleisch herauszuprügeln, weil letztere nach ihrem Dafürhalten allmählich größenwahnsinnig geworden waren. Da sich die Urwörter fast ausschließlich mit dieser Tätigkeit beschäftigten, bekamen sie überhaupt nicht mit, daß sich eine konkurrierende Gruppe empfindungsfähiger Wesen aus dem Nichts gebildet hatte. Als ihnen klar wurde, daß sie nicht mehr allein im Universum waren, hatte man sie bereits zusammengepfercht, sinnlos grammatisch analysiert und in dem allerersten Textverarbeitungsprogramm gefangengenommen.
    Diese Neulinge waren die Götter. Nach der ältesten Version dieser Geschichte über die Entstehung der Welt gab es drei davon: Kronos, Rhea und Dingsbums.
    Kronos brachte Ordnung in das Chaos. Rhea trennte das Licht von der Dunkelheit und tapezierte das Himmelsgewölbe mit Sternen. Dann überzogen beide die Wörter mit Molekülen, bis jedes einzelne von ihnen zu dem Gegenstand oder der Sache wurde, für den oder die es stand, und bereiteten sie darauf vor, das Firmament zu kolonisieren. Bei der allgemeinen Begeisterung hatten sie nicht an Dingsbums gedacht, der überhaupt nichts vom Zimmerhandwerk verstand und überdies dazu neigte, über den Eimer mit dem Tapetenkleister zu stolpern. Als die Arbeit beendet war, traten die Götter ein Stück zurück, betrachteten das von ihnen geschaffene Werk und sahen, daß es gut war – oder daß es zumindest hätte schlechter ausfallen können –, und begaben sich schließlich ins wohlverdiente Wochenende.
    Als er sich ziemlich sicher war, daß niemand mehr da war, kroch Dingsbums aus der Supernova heraus, in der er sich die ganze Zeit versteckt hatte, klopfte sich den Sternenstaub von der Hose ab und blickte sich argwöhnisch nach allen Seiten um.
    Denen werde ich es schon zeigen!
    Mit leiser, aber eindringlicher Stimme stellte er sich den Wörtern vor, während diese unbeholfen in ihren neuen Schalen ertönten. »Ehr mögt die Götter nicht, und ich mag sie auch nicht!« rief er. »Also laßt uns diesen Weicheiern eine Lektion erteilen, die sie niemals vergessen werden!«
    Die Wörter sagten daraufhin nichts und nickten nur. Dann holte Dingsbums tief Atem und dematerialisierte, wobei sich sein Körper in Billionen winzige Einzelteile zerlegte. Die Wörter schrien aus vollstem Herzen erschrocken auf – jedes einzelne kam sich wie eine Auster vor, der gerade eine ausgewachsene Perle eingesetzt wurde.
    Es dauerte eine ganze Weile, bis die Götter dahinterkamen, was sich da abgespielt hatte, aber zu diesem Zeitpunkt war es bereits zu spät. Sie konnten nichts anderes mehr tun als hoffen und (unter diesen Umständen) zu beten, daß keins dieser kleinen Teilchen von Dingsbums jemals in die Hände der neuerschaffenen menschlichen Rasse fiele; sollte nämlich das passieren, gäbe es Ärger. Und dank Prometheus gab es dann auch diesen Ärger …
     
    Jupiter hielt den Asteroiden, den er gerade werfen wollte, wieder nach unten und errötete.
    »Ver … Verzeihung, mir tut’s auch leid«, stammelte er. »Und natürlich bist du noch immer meine
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