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Liebesdienste / Roman

Liebesdienste / Roman

Titel: Liebesdienste / Roman
Autoren: Kate Atkinson
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vorsichtig – sie wollte ihren neuen cremefarbenen Trenchcoat nicht beschmutzen, obwohl er natürlich sowieso versaut würde.
    Sie legte sich lang gestreckt und gerade wie ein Schienenschläfer auf das Gleis. Wenn man etwas tun wollte, sollte man es richtig tun. Es war schade, dass niemand da war, der sie mit einem Seil an den Schienen festbinden konnte. Ein Hollywood-Ende wäre schön. Oder vielleicht auch nicht, das war nicht ihr Stil, und sie war kein Fräulein in Not, sie war eine moderne Frau, die das Vernünftige tat. Das Heldenhafte.
    Der Zug war jetzt lauter. Näher.
    Ein Opfer. Das sich selbst opferte, um genau zu sein. Sie tat es für Martin. Sie würde ihn für immer von sich befreien. Sie würde Alex Blake mit sich nehmen, und Martin wäre frei. Er könnte neu anfangen, endlich etwas Gutes schreiben statt dieses Unsinns. Natürlich bedauerte sie so manches. Sie hatte nie Sex gehabt – Martin hatte es nicht zugelassen. Und sie war nie in Wales gewesen, sie hätte es gern gesehen, jetzt war es zu spät.
    Etwas, was sie nie zuvor gefühlt hatte, flackerte über ihr Gesicht. Sie dachte, dass es vielleicht Angst war. Es gab jetzt kein Zurück mehr. Das war sie. Die Nanosekunde, die alles verändern würde. Er kam. Er war da.
    Sie ging in die Schwärze ein, in der es keine Worte gibt. Es werde Dunkelheit.
     
    »
Und er sitzt nur da und sagt nichts?«
    »Mhm. Mehr oder weniger. Die Polizei sagt, als sie eintrafen, hat er nur was davon gefaselt, dass er Mönch werden will.«
    »Gefaselt? Ist das ein klinischer Ausdruck?«
    »Sehr witzig. Ich habe noch keine offizielle Diagnose gestellt, aber ich würde sagen, dass er sich in einem Zustand posttraumatischer Katatonie befindet, in einem Fugue-Zustand. Er hat jemanden erschossen, umgebracht. Keiner von uns weiß, wie wir unter diesen Umständen reagieren würden.«
    »Meinen Sie, dass er simuliert? Er ist schließlich Schriftsteller, oder?«
    »Ja.«
    »Was schreibt er?«

54
    J ackson rief Louise aus dem Wagen an. Er hatte sich bei Hertz einen Mondeo gemietet und war auf dem Weg nach London. Er war noch nicht bereit, nach Frankreich zurückzukehren. Vielleicht wäre er es nie wieder. Er fuhr, er raste mit neunzig Meilen pro Stunde auf die Grenze der Grafschaft zu, mit ausgeschalteten Rücklichtern. Er war unterwegs zur kanadischen Grenze. Er fuhr über die staubigen Landstraßen von Texas auf der Suche nach Ärger. Er war jedes Lied, das er je gehört hatte.
    Er probierte es gedanklich mit dem Wort »Zuhause«, und es klang nicht richtig.
Zuhause ist, wo das Herz ist,
sagte Julia. Sie war normalerweise keine Frau, die Klischees benutzte, aber andererseits hatte sie sich nie dazu herabgelassen, seine Erwartungen zu erfüllen. Er hätte gesagt, dass sein Herz bei Julia war, doch vielleicht dachte er das bloß, damit er sich besser fühlte, damit er sich nicht so allein fühlte.
Tut mir leid, Jackson, es ist nicht deins.
Er hatte gesagt, dass ihm gleichgültig wäre, es ihm egal wäre, wer der Vater war, und er war schockiert, weil es stimmte, aber Julia sagte: »Mir ist es nicht gleichgültig, Jackson.« Und das war es, es war aus zwischen ihnen. Von null auf hundert in einem Gespräch.
Es ist besser so, Schatz.
Hatte sie recht? Er wusste es wirklich nicht. Er wusste jedoch, dass er sich fühlte, als wäre ihm etwas ohne Narkose herausgerissen worden. Aber er war jetzt alt genug, um einfach weiterzumachen, weil man einfach weitermachte, man stand vom Boden auf und machte auch ohne Aussicht auf Erfolg weiter.
Na los, greif an.
    Und er fragte sich, ob sein Herz nicht wirklich vor all den Jahren mit seiner Schwester begraben worden war, während er an Mrs. Judds Resopaltisch saß und eine Hühnerpastete aß.
    Neue Ziele, neues Leben. London, das Zuhause der Vertriebenen der Welt, schien ein guter Ort, um für ein paar Tage zu verschwinden und wieder gefunden zu werden. In einer Tankstelle in Borders kaufte er ein Drei- CD -Set
Tamla Motown Greatest Hits
. Er hatte seine musikalische Vorliebe nicht plötzlich geändert, dachte jedoch, dass er für unterwegs etwas Beschwingtes brauchte, und das musste man den Typen lassen (obwohl er wie immer die Mädchen vorzog), sie wussten, wie man eine Melodie zusammenbastelte. Er konnte gar nicht fassen, was für eine Erleichterung es war, in einem Auto zu sitzen, auf dem Fahrersitz, hinter dem Lenkrad. Sogar in einem Mondeo. Er war wieder er selbst.
    »Hallo, Sie«, sagte er, als sie sich mit einem herben
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