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Lieber tot als vergessen

Lieber tot als vergessen

Titel: Lieber tot als vergessen
Autoren: Denise Danks
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Ausland sein, minus höchstens ein Sechstel, aber das läuft auf einer absteigenden Skala. So geht das. Ich muß nicht weit weg — Irland reicht, und wenn ich dableibe, könnte ich mich für eine Steuerbefreiung qualifizieren, wenn ich irgendeinem Ausschuß dort meine künstlerischen Verdienste nachweisen kann.«
    Ich goß zwei sehr große Gläser mit kaltem Chianti voll. Sie hatte die Situation wirklich erfaßt, aber ich versuchte, sie die Sache von der positiven Seite erkennen zu lassen. »Gibt’s da nicht irgendeinen Club für steuerpflichtige Rockstars in Dublin?«
    »Der >White Elephants Club< oder so ähnlich. Ziemlich treffend, der Name, denn die sind praktisch vergessen. Wenn du ins Ausland gehst, passiert das. Und da sind keine Frauen. Bloß Schwänze und ihre Miezen oder Schwänze und ihre Schwänze. Super.«
    Wir mampften schweigend unsere Pizza und tranken den Wein aus. Er war wunderbar, trocken wie altes Pergament, und ich stand auf und suchte eine zweite Flasche.
    »Ich will nicht weg«, sagte sie und wischte sich die Krümel aus dem Gesicht. »Ich will einfach nicht weg.«
    »Charlie, du kannst doch irgendwo hingehen, wo es schön ist. In die Karibik. Und wenn nicht — Dublin ist auch ’ne Spitzengegend, sagt man.«
    »Schon mal dagewesen?«
    »Einmal. Auf einer Pressefahrt.«
    »Super.«
    Ich war keine große Hilfe, und sie regte sich immer mehr auf. »Hör mal, spar dir das alles, ich bin gern in London. Ich muß in England arbeiten. Das ist mein größter Markt. Es ist mein Heimatmarkt. John St. John meint, ich sollte eine US-Tournee machen, dann eine LP aufnehmen, vielleicht in Irland, dann irgendwo Ferien machen und dann noch ein bißchen aufnehmen. Und ausnahmsweise bin ich da nicht seiner Meinung. Abwesenheit könnte tödlich für mich sein; die Fans könnten mich vergessen, und die neuen Typen in der Band kenne ich nicht gut genug, um eine große Tournee mit ihnen zu machen. Ich bin dabei einfach nicht... zuversichtlich.« Dicke nasse Tränen tropften aus ihren großen braunen Augen, und ihre makellose kleine Nase wurde rosa und schniefig. Sie weinte wirklich.
    Ich wühlte in meiner Jeanstasche nach einem Papiertaschentuch. Das war ja schrecklich. »Aber die US-Tournee ist doch sicher das, was du nötig hast, Charlie, oder? Du hast jetzt zwei Hits drüben gehabt; jetzt mußt du doch sicher auch mal dort auftreten, um wirklich groß zu werden. Du kannst dieses eine Jahr nutzen.« Um sie zu trösten, nahm ich ihre feuchte Hand.
    Sie legte die andere Hand über meine. »Komm mit.«
    »Aber das kann ich nicht. Ich kann hier nicht einfach alles sausenlassen.«
    »Was denn sausenlassen?«
    Ich zog meine Hand weg, hob das Glas an den Mund und starrte über den Rand. Sie hatte recht. Was sausenlassen? Ich war allein, geschieden, selten nüchtern, das Schreiben langweilte mich, das Nichtschreiben langweilte mich, das Zeitverplempern langweilte mich, das Leben langweilte mich. Aber daran wollte ich nicht erinnert werden.
    »Du kannst über die Tournee berichten. Die Story der Tournee schreiben. Ich gebe dir alle Exklusivrechte. Dafür könntest du einen Supervorschuß kriegen. Komm mit. Bitte!«
    Es klang verlockend. Schließlich — was hatte ich zu verlieren? Sie hatte recht, bei der Sache konnte ich ganz hübsch verdienen. Andererseits war ich gern unabhängig — eine unabhängige Freundin. Trotzdem, es wäre ein absoluter Hammer, eine unwiederholbare, wilde Erfahrung. Ich hatte meinen Entschluß schnell gefaßt. Ich wollte es nicht machen, aber ich wollte sie auch ein bißchen aufziehen. »Tja, ich weiß nicht...«, sagte ich todernst, die Brauen hochgezogen, den Blick gesenkt.
    Aber Carla mißverstand mich. Sie sah den Scherz nicht, und sie antwortete zu schnell. Es war überhaupt nicht ihre Art, aber sie war zu sehr beunruhigt, um vorsichtig zu sein. »Du mußt mitkommen. Ich brauche dich«, sagte sie, faßte mein Kinn und hob meinen Kopf hoch. »Georgina, ich kann dich nicht monatelang nicht sehen. Ich liebe dich. Weißt du das nicht? Ich liebe dich.«
    Das war es. Drei kleine Wörter, und die Welt, wie man sie kennt, verlagert die Achse. Ich wußte wirklich nicht, was ich sagen sollte; also lachte ich ein bißchen und schob ihre Hand weg. »Das kann doch nicht dein Ernst sein!« Ich lachte immer noch, ein bißchen nervöser jetzt.
    Carla stand auf und stützte sich mit beiden Fäusten auf den Küchentisch. Ich dachte, sie würde jetzt anfangen zu schreien, aber sie sprach mit mir so
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