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Lieber tot als vergessen

Lieber tot als vergessen

Titel: Lieber tot als vergessen
Autoren: Denise Danks
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die ebenso bleichen, halb entblößten Brüste, von den hellen Armen zu glatten runden Marshmallow-Kurven zusammengedrückt, erdbeerrosa erröten. Die neu verfügbare, beinahe eßbare Carla Blue, schön und in Klarsichtfolie verpackt, erregt, verletzlich, unberührbar, lag neben dem von der Gitarre überschatteten, in Jeans gehüllten Unterleib auf dem Cover von The Unreleased Johnny Waits. Zwei tote Stars, ein Traumticket, lagen hier stumm Seite an Seite.
    »Ghea Records ist ein sehr guter Kunde«, sagte der große, grauhaarige Mann, der mir über die Schulter sah. »Fünfundsiebzig Prozent unserer Arbeit kommt aus dem Musikgeschäft: Single-, LP-, Kassetten- und CD-Cover und Poster für alle großen Plattenfirmen. Die Druckerei erledigen wir auch. Der Rest unserer Aufträge kommt von Zeitschriften — wir arbeiten für unterschiedliche Magazine, unter anderem für Which Telephone und Puppetmaster, den Kinder-Comic.«
    Ich nickte wissend, als hätte ich diese ehrbaren Publikationen abonniert.
    Sein Knochenfinger deutete über meine Schulter und beschattete Carlas Bild. »Schade um das Mädchen, was? Absolut umwerfend. Der Erfolg bringt sie um, wissen Sie; sie werden damit nicht fertig. Zuviel von allem. Zuviel Saufen, zuviel Drogen, nehme ich an, und zuviel von dem anderen... und Gott weiß, was sonst noch alles. Wir sehen so was oft im Musikgeschäft.«
    Gott weiß, was sonst noch alles? Gab es denn sonst noch was? Alkohol, Drogen, Sex, Rock ’n’ Roll... das mußte doch ungefähr alles sein, was die zweite Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts an Ausschweifungen zu bieten hatte. Was wußte er denn über Rockstars, über Carla? Wahrscheinlich hörte er auf seiner Auto-Stereoanlage nur James Last. Da summte er dann mit, wenn er über die grüngesäumte, vierspurige Ausbaustrecke in sein modernes Backstein-Eigenheim mit den drei Schlafzimmern fuhr. In ein Haus, darauf hätte ich gewettet, das zwischen zwei Vierecken von grünem Rasen eingebettet lag, umrahmt von Goldlack, hübsch hingepackt an den Asphaltwirbel eines Wendehammers.
    »Das nenne ich Musik«, würde er zu seiner ausdruckslos blickenden fünfzehnjährigen Tochter sagen, und die wippte sicher mit dem Kopf, eingekeilt in einen Miniaturkopfhörer.
    Ich blinzelte und blickte auf. Was tat ich hier? Dieser Job war unwichtig. Das Geld brauchte ich nicht — noch nicht. Aber ich tat es nicht fürs Geld, obwohl die Bezahlung nicht schlecht war. Es war ein neuer Anfang. Sie zahlten mir zweihundertfünfzig Pfund pro Tag dafür, daß ich etwas Anspruchsloses, aber Kompetentes schrieb. Das war fast dreimal soviel wie eine Computerzeitschrift wie Technology Week zahlte. Journalismus war es nicht, aber es war damit verwandt, und es war nicht so schwierig. Die Story mußte den Auftraggeber in ein gutes Licht setzen, dafür wurde ich bezahlt. Der Artikel würde mit meinem Namen oder ohne ihn in einer entsprechenden Zeitschrift oder Tageszeitung erscheinen; der Klient hätte wertvolle Publicity zu einem sehr viel geringeren Preis, als er für eine Anzeige entrichten müßte, und die Zeitung mit ihrem knappen Etat hätte einen Gratisbeitrag für ihren redaktionellen Teil. Ich hätte meinen Cash-flow verbessert und wäre mit einem sanften Schubs zurück zur Arbeit befördert worden. Alle — mit Ausnahme der Leser — machten ein gutes Geschäft, und die kriegten das Blatt sowieso umsonst. Wer sollte sich also beschweren?
    Der Klient hatte in der Druckerei dieses Herrn für eine Million Pfund ein computerisiertes Grafiksystem installiert. Es war ein hübsches System mit einem Scanner, der Originalgrafiken und Dias elektronisch abtastete und digitalisierte, so daß sie auf einem Computermonitor dargestellt werden konnten. Ein Grafiker konnte die digitalisierten Bilder dann auf dem Bildschirm manipulieren, um die gewünschten Farben, Tönungen, Schatten und Konturen herauszuarbeiten — eine Arbeit, die Stunden dauern würde, wenn man sie mit der Hand machen müßte. Wenn er — okay, oder sie — damit fertig war, wurde per Knopfdruck das ganze Zeug auf einen Film übertragen und konnte gedruckt werden. Das Besondere an diesem System war die digitale Verbindung zu einem anderen Atelier in Los Angeles. Das bedeutete, daß das Team morgens in Surrey mit der Arbeit anfangen und ein paar Stunden später die LP-Covers mitsamt all ihren komplexen Tönungen und Grafiken an einen Computer in Kalifornien schicken konnte. Das amerikanische Team konnte dann die lokalen Credits
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