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Lieber tot als vergessen

Lieber tot als vergessen

Titel: Lieber tot als vergessen
Autoren: Denise Danks
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ich diese Aussicht habe. Wissen Sie, im Schnee kann eine Backsteinhütte mit Schieferdach und mit Mülltonnen vor der Tür pittoresk aussehen, aber ein Hochhauswohnblock? Niemals. Gucken Sie sich das da draußen an, und ich hier oben wie ein Kanarienvogel in einem Krähennest. Wissen Sie, es ist traurig, aber bei dieser Stadt bin ich nie so richtig auf den Geschmack gekommen. Nein, ich glaube, nie.«
    »Was werden Sie tun?«
    Ich guckte aus dem Fenster und dachte darüber nach. Es war alles vorbei, erledigt. »Wissen Sie, meine Eltern möchten mich Weihnachten zu Hause haben. Ich glaube, ich fahre hin, und vielleicht komme ich diesmal nicht wieder zurück.«
    Er stand neben mir und berührte meinen Arm. »Es tut mir wirklich leid..., was ich vorhin getan habe.«
    »Und gestern abend?« Ich drehte mich zu ihm um. »Tut Ihnen das auch leid?«
    »Ja, das tut mir wirklich auch leid«, sagte er, und wir lachten beide. Es war schwer, aber wir lachten trotzdem.
    »Ich frage mich, ob St. John ihm glauben wird«, sagte ich. Tony sagte gar nichts. »Was gibt’s dann — gezückte BMWs im Morgengrauen?« Ich schaute wieder durch die kalte, schmutzige Fensterscheibe.
    »Glaube ich nicht. Vielleicht kann ich mit ihm reden«, antwortete Tony. Er stand jetzt dicht neben mir, und seine Hände drehten mich um.

Die Enten auf dem Teich im Victoria Park rutschten auf dem Hintern über das Eis zu den Leuten, die ihnen Brotkrumen zuwarfen. Es ging kein Wind; die kalte, frische Luft ringsum hielt den Schnee kompakt auf dem Boden, und vereiste Flächen bedeckten die Gehwege. Ich trank heißen Tee aus einem weißen Plastikbecher, als ich Tony durchs Tor hereinkommen sah. Er trug einen dicken Lammfellmantel über der dunklen Hose und ging mit gesenktem Kopf, die Hände tief in den Taschen vergraben. Ich warf den Becher in einen Drahtkorb voll gefrorenem Müll.
    »Lust auf einen Spaziergang?« fragte er, ohne die Hände aus den Taschen zu nehmen.
    »Warum nicht?« Wir machten zusammen kehrt und wanderten den Weg hinunter und an den Rehen vorbei, die still unter den Bäumen standen und weiße Wolken in die Luft atmeten.
    »Wann fährst du?«
    »Samstag. Sonntag ist Heiligabend; dann bin ich zu Hause. Ich nehme an, du hast ziemlich viel zu tun?« Er zuckte die Achseln. »Ja oder nein?« Ich blieb stehen und boxte ihn gegen die Brust.
    »Yeah, wir werden schon viel zu tun haben«, sagte er, zog einen braunen Umschlag aus der Tasche und reichte ihn mir. »Zwölftausendachthundert Pfund. Dein Anteil.«
    Ich starrte erst den Umschlag an, dann ihn, und ich lächelte. »Danke«, sagte ich und stopfte ihn in meine Schultertasche. »Vielen Dank.«
    »Wie fühlst du dich?«
    »Oh, ziemlich gut, in Anbetracht der Umstände. Keith ist verhaftet worden. St. John ist bei ihrer Beerdigung zusammengebrochen, und Dexter mußte ihn stützen. Er hatte zwei blaue Augen... St. John, meine ich.«
    »Na ja, ein bißchen Überzeugungsarbeit war schon nötig...«
    Ich grinste. »Und ich hatte mehr Arbeit als irgendwann in den letzten zwei Jahren.«
    »Das ist doch gut, oder?«
    Ich denke ja.«
    Tony legte mir eine Hand auf den Arm, und wir gingen weiter. »Hör mal, was deine Wohnung angeht... gehst du nach Weihnachten da wieder hin?«
    »Nur, um meine Sachen abzuholen«, sagte ich. »Warum?«
    »Na ja, jemand, den ich kenne, würde dir drei Riesen Abstand dafür geben. So ’ne Bude läßt man nicht einfach sausen.«
    »In der bevorzugten Wohngegend Bow? Oh nein, du hast ja so recht, bei der Aussicht und allem...« Tony machte ein genervtes Gesicht, und ich schob meinen Arm unter seinen und zog ihn voran. »Hör mal, das mit dem Tape ist eine Sache, aber mit der Wohnung gibt’s kein Geschäft. Sie sollte an jemanden gehen, der drauf wartet. Auf der Warteliste.«
    »Du läßt alles da? Läßt es, wie es ist?«
    »Ach, es ist kaum luxuriös, und es hat ja nicht mir gehört. Ich habe nichts für diese Wohnung gekauft. Das hat alles Warren angeschafft. Er dachte, es gefällt mir. Soll es ruhig jemand anders haben.«
    Wir gingen weiter. Tonys Miene war finster. »Das war’s dann?« sagte er.
    »Das war’s.«
    »Wo willst du denn hin?« Er blieb wieder stehen und rieb seine weichen Lederhandschuhe aneinander. Sein Blick wanderte über den weiten Park.
    »Nach Kalifornien vielleicht.«
    »Was gibt’s denn da?«
    »Sonne. Ein paar Freunde. Meinen Ex-Gatten. Keinen Ärger hoffentlich.«
    Tony sah auf die Uhr. »Seit einer halben Stunde ist offen. Gehen wir was
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