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Lieber Frühling komm doch bald

Lieber Frühling komm doch bald

Titel: Lieber Frühling komm doch bald
Autoren: Eric Malpass
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Lächeln, das ihn etwas unsicher machte. Hatte sie gemerkt, daß er in seinem Bericht ein ganz klein wenig zu seinen Gunsten geflunkert hatte? Er mußte zugeben: es war nicht leicht, seiner Frau ein X für ein U vorzumachen.
     
    Gaylord wußte, daß es Mädchen gab, so wie er wußte, daß die kleinen grünen Männer vom Mars existierten. Gewiß, Amanda, sein Schwesterchen, war ein Mädchen. Aber sie war ein Baby - ein Wesen, mit dem man nicht spielen konnte. Er hatte sie lieb, aber sie zählte nicht richtig. Und wenn einem tatsächlich einmal ein fremdes Mädchen begegnete, konnte kein Mensch von einem erwarten, daß man sich mit so einem Geschöpf abgab.
    Er versuchte gerade mit wenig Erfolg, den Fluß durch einen Damm zu stauen, als er die Stimme seines Großvaters hinter sich hörte: «Das ist Gaylord, mein Enkel, Mr. Mackintosh. Gaylord, das ist Mr. Mackintosh, der mir auf dem Hof helfen will. Und das ist Miss Mackintosh. Und das hier ist Julia.»
    Julia lächelte. Gaylord setzte sein finsterstes Gesicht auf. Miss Mackintosh sagte: «I gitt, der Junge ist ja ganz naß!»
    Gaylord betrachtete Miss Mackintosh, die streng und mürrisch aussah. Er war empört. Und angewidert. Wenn er mit nassem
    Zeug nach Hause kam und Mummi regte sich auf, dann war das ja in Ordnung, es gehörte dazu, und es hätte ihm gefehlt, wenn sie es nicht getan hätte. Aber wenn völlig Fremde damit anfingen, dann ging das zu weit!
    Der Mann fragte höflich: «Was machst du denn da, Junge?»
    «Ich bau ’n Damm durch den Fluß», gab Gaylord zur Antwort.
    Dem Mann schien das keinen Eindruck zu machen. Opa sagte: «Oh, dann haben sie ja unten in Nottingham bald kein Wasser mehr.»
    «Och -» setzte der Mann an. Dann ging ihm anscheinend auf, daß es sich hier um einen Scherz handelte. Auch das schien ihm keinen Eindruck zu machen.
    «Und du, Julia?» fragte Opa. «Willst du hierbleiben und Gaylord bei seinem gefährlichen Bauwerk helfen?»
    Gaylord traute seinen Ohren nicht. Opa hatte immer zu ihm gehalten - immer waren sie gute Freunde gewesen, immer hatten sie zusammengehalten. Und nun das! Gaylord war bitter enttäuscht. Wie konnte Opa ihm so etwas einbrocken!
    «Ja, darf ich?»Julias Stimme klang zart und süß.
    «Meinetwegen», sagte Gaylord, wenn auch nicht gerade begeistert. Andererseits konnte niemand ihm vorwerfen, er sei unhöflich gewesen. Den mittleren Ton zu treffen verstand Gaylord meisterhaft.
    Doch jetzt trat Miss Mackintosh dazwischen. «Och nein, unsere Kleine ist nicht danach angezogen, im Wasser rumzupanschen!»
    Im Wasser rumpanschen! Da baute man an einem gewaltigen Staudamm, und diese Ziege redete von Rumpanschen! Typisch Frauen. Aber das kleine Mädchen sagte: «O bitte - ich werd bestimmt nicht naß, ich verspreche es dir.» Und Gaylord fühlte sich so tief gekränkt durch die schmähliche Herabsetzung seines Unternehmens, daß er hinzufugte: «Bestimmt wird sie nicht naß, Miss Mackintosh.» Und mit halbem Lächeln gab er Julia eine Schaufel.
    «Sie müssen noch den Milchschuppen sehen», sagte Opa, und die drei Erwachsenen gingen weiter.
    Gaylord erkundigte sich bei Julia: «Das ist doch deine Mutter, nicht? Warum heißt sie dann Miss?»
    «Das ist nicht meine Mutter. Ich - meine Mutter ist letzten Monat gestorben. Daddy hat Tante Elspeth gebeten, zu uns zu kommen, damit ich nicht so allein bin.»
    Tiefsinnig schaufelte Gaylord weiter im Schlamm. Noch nie war es ihm in den Sinn gekommen, daß der liebe Gott jemanden sterben lassen konnte, der für den Ablauf der Welt so unentbehrlich war wie eine Mutter. Daß etwa Paps ihn und Amanda ganz allein versorgte - nein, das konnte man sich im Traum nicht vorstellen. Er hatte seinen Paps sehr lieb, aber über seine praktischen Fähigkeiten machte er sich keinerlei Illusionen. Immer noch schaufelnd und mit gesenktem Kopf sagte er: «Das tut mir aber schrecklich leid, daß deine Mutter tot ist.» Es tat ihm wirklich leid. Und daß diese Ziege da für Julia so etwas wie eine neue Mutter sein sollte, tat ihm auch leid.
    «Danke, Gaylord.»
    «Es ist sicher furchtbar, wenn - ich meine, daß deine Mutter tot ist.»
    «Ja, ziemlich.»
    Er hätte ihr gern irgend etwas zum Trost gesagt, und er war wütend, daß ihm nichts einfallen wollte. Er wußte nicht, daß es solche Worte nicht gab.
    Und Julia sah so traurig und verloren aus. Jetzt fragte sie ihn besorgt: «Ist das, was du da machst, wirklich gefährlich?»
    «Weiß ich nicht. Ich glaube, Opa hat bloß Spaß gemacht. Das tut
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