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Lieber einmal mehr als mehrmals weniger

Lieber einmal mehr als mehrmals weniger

Titel: Lieber einmal mehr als mehrmals weniger
Autoren: Dieter Moor
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jetzt ein Foto machen, wäre bewiesen: Glück zaubert einen Ausdruck auf menschliche Gesichter, der mit einigem Recht als leicht debil bezeichnet werden kann.
    Krüpki fängt sich als Erster. «Nun glotzt nicht so wie die Maulaffen, da ist ein Kalb an ’nem Euter, na und? Ist doch det Normalste der Welt!»
    «Det is wohl wat Besonderes, nämlich weil der Kleene ein Wasserbüffelkalb is», bemerkt Teddy.
    «Und weil’s mein Miosch ist, der war gestern noch sozusagen tot, wisst ihr?», ergänzt Alice.
    «Und weil ich so sehr glücklich bin, dass wir ihn über den Berg haben», lacht Sonja.
    «Und weil diese Rettung einen besonderen Nachgeschmack hat … in unserem Wohnzimmer», ergänze ich grinsend die vielen Besonderheiten dieser «normalsten Sache der Welt».
    «Na ja», lenkt Krüpki ein, «denn soll’s für euch Grünschnäbel eben was Besonderes sein. Wenn ihr denn eure Bude ordentlich durchgelüftet habt, denn komm ich rum, und denn wird gefeiert. Schnaps geht auf mich, soll keiner sagen, der alte Krüpki sei ein Spielverderber.»
    «Bin dabei», ruft Teddy und richtet seine runden Äuglein auf mich. «Aber von wegen Schnaps: Wie bist denn auf die Schnapsidee gekommen? Wasserbüffelkalb im Wohnzimmer?»
    Ich hole tief Luft, atme in aller Ruhe aus und sage, den Blick versonnen in die Ferne gerichtet: «Wisst ihr, ich sage immer: Lieber einmal mehr, als mehrmals weniger.»
    Teddy starrt mich an, schüttelt ungläubig seinen Schädel und schnaubt verächtlich. «Von wo tuste denn
den
doofen Spruch herhaben?»

[zur Inhaltsübersicht]
    Epilog
    Durch das Gestrüpp der Alleehecke hindurch hat Bauer Müsebeck die Szene still beobachtet. Er nickt zufrieden. «Meine Rede», sagt er zu sich, tippt kurz an die Krempe seines schwarzen Lederhütchens, und weg ist er.

Bonus-Material I
Die Moor’sche Verdrängung-durch-Verknüpfung-Methode
    Wenn man ein Problem habe, heißt es so schön, gebe es zwei Methoden, dieses loszuwerden. Erstens, es zu lösen, und falls es nicht lösbar sei, zweitens, es nicht länger als Problem zu sehen, sondern als etwas Positives, als Chance oder Herausforderung, notfalls als Karma. Klingt gut, funktioniert in der Lebenspraxis nicht. Nicht wirklich.
    Die meisten Menschen, und ich gehöre zu diesen meisten, versuchen die Probleme, die sich als unlösbar herausstellen, also die meisten, loszuwerden, indem sie sie verdrängen. Auch dies gelingt in der Lebenspraxis nicht wirklich, aber irgendwie eben doch.
    Leider meldet sich das verdrängte Problem immer wieder aufs Neue – und jedes Mal quälender. Wie ein entzündeter Zahnnerv, nachdem die Wirkung der Mund- und Magenspülung mit Wodka unweigerlich nachgelassen hat. Man versucht, mit immer mehr Wodka den immer heftigeren Schmerz zu verdrängen, und am Ende hat man immer noch Zahnschmerzen und dazu auch noch einen Kater.
    So ist es mit dem Verdrängen von Problemen. Es wird immer anstrengender, und am Ende hat man das Problem als Dauerproblem und dazu auch noch die Reue, dass man es nicht schon viel früher gelöst hat.
    Problemverdrängung wäre nur eine Lösung, wenn die Verdrängung total, vollständig und unwiderruflich ausgeführt werden könnte. Also wenn man das Problem nachhaltig entsorgen könnte. Wie einen gezogenen Zahn.
    Als mich das Problem meines Hürlimann-Traktors quälte, der auf gar keinen Fall kaputt sein durfte, aber dennoch kaputt war, und sich die Situation in einer Weise ehegefährdend zuspitzte, dass meine Frau mir schlichtweg verbot, das Wort «Hürlimann» auch nur zu erwähnen, ansonsten ich mein Bündel schnüren und von dannen ziehen müsse, sah ich mich in der Situation, ein nicht lösbares Problem derart perfekt verdrängen zu müssen, dass es nie, nie wieder auftauchen konnte. Weder im Verstand noch im Gefühl, weder bewusst noch unbewusst, weder in schlafendem noch in wachendem Zustand. Es musste so vollständig weg sein, als ob es nie existiert hätte, obschon es natürlich weiter existierte, solange der Hürlimann nicht repariert war. Es musste ausgerissen werden, wie ein fauler Zahn, der ja nach dem Ausreißen auch noch da ist, aber nicht mehr wehtut.
    Wie konnte dies Unmögliche gelingen?
    Nun, ich erinnerte mich in meiner Not an einen Trick, den ich irgendwo in einem populärwissenschaftlichen Artikel über erfolgreiches Lernen entdeckt hatte.
    Man könne, war dort zu lesen, schnell und schmerzfrei die langweiligsten Dinge ins Gedächtnis pressen, wenn man diese mit spannenden oder angenehmen Dingen
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