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Lieber einmal mehr als mehrmals weniger

Lieber einmal mehr als mehrmals weniger

Titel: Lieber einmal mehr als mehrmals weniger
Autoren: Dieter Moor
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Jeep. Wo ist Müsebeck? Ich bin mir sicher, bei der Abfahrt gesehen zu haben, wie er in den Petrolgrünen geklettert war. Warum steigt er nicht aus?
    «Was ist mit Müsebeck?», ruf ich zu den beiden Ankömmlingen rüber und sehe, wie Krüpki abwinkt. Die beiden kommen ran, und ich wiederhole die Frage: «Ist Müsebeck nicht bei euch eingestiegen?»
    «Doch, ist er», gibt Krüpki Auskunft.
    «Und warum steigt er jetzt nicht aus?»
    «Weil er nicht mehr drinne ist», lautet Krüpkis mysteriöse Auskunft. Er bemerkt meinen verständnislosen Gesichtsausdruck und ergänzt: «Ja, hast du denn noch gar nicht geschnallt, wie das ist mit Müsebeck? Noch nie was aufgefallen, wa? Weil de keine Beobachtungsgabe hast, du Neu-Amerikaner. Müsebeck ist mal da … und dann plötzlich wieder nicht.»
    «Genau», sagt Teddy. «Tippt so an sein Hütchen und … weg is er …»
    «Wollen wir, Jungs?», ruft Sonja, die schon hinter der Heckklappe des Jeeps steht. «Oder führt ihr gerade wichtige Männergespräche? Dann natürlich machen wir Frauen das gern auch ohne euch …»
    «So weit kommt’s noch», schreit Krüpki und wastelt auf seinen Stamperbeinchen zu Sonja. «Jetzt hört mal zu, ihr Anfänger, der alte Krüpki sagt an, wie das zu laufen hat. Alles hört auf mein Kommando!» Er hebt seine linke Hand hoch wie Napoleon, bevor er das Kommando zum Angriff gibt. Sein dünnflaumiges Haupthaar tanzt im Wind und erinnert wahrhaftig an die Federbüsche, mit denen die alten Schlachtherren ihre Parademützen rauf-deluxt haben.
    «Falsch, Krüpki.» Sonjas Stimme ist ruhig, aber sehr bestimmt. «Alles hört auf
mein
Kommando.» Sie legt ihm die Hand auf jene Schulter, aus der sein Feldherrnarm in die Höhe wächst, und sieht ihm tief in die Augen. Krüpki weicht ihrem Blick keinen Millimeter aus, prüft seelenruhig, wie ernst es ihr ist. Dann lässt er langsam seine Hand sinken, bis diese wiederum auf Sonjas Schulter ruht, und jetzt stehen die beiden wie Marx und Lenin auf russischen Historiengemälden einander gegenüber. Brüderlich vereint in Kraft und Zuversicht. Wie, fragt man sich bei diesem Anblick, wie gelingt es Krüpki bloß immer wieder, eine Aura von geschichtsträchtiger Bedeutsamkeit um sich aufzubauen?
    «Na», verkündet Krüpki, «was sagt man denn dazu? Aus dir ist ja wahrhaftig doch noch ’ne Bäuerin geworden. Ich zieh den Hut!» Er tritt drei Schritte von Sonja zurück, dreht sich zu uns und brüllt: «Alle mal herhören: Die Kleene hier sagt an, wie das hier zu laufen hat, und ihr führt es aus, ihr Piepen. Ist das angekommen?» Wir nicken brav. «Na, denn bitten wir mal um deine Kommandos, Sonja!»
    Doch bevor sie dazu kommt, poltert es laut von innen an die Heckscheibe des Jeeps. Alice begehrt mit beiden Fäusten Aufmerksamkeit und macht Gesten, die eindeutig signalisieren, wir Erwachsenen hätten wohl einen an der Waffel, Miosch und sie einfach zu vergessen. Und wie um Alice zu unterstützen, trötet der sein «Mmmö».
    In derselben Sekunde folgt die Antwort von Mama Mimosa. Ein kehliger, lang gezogener Laut, der Lockruf der Büffelmutter. Und nun hebt ein Duett an, bestehend aus Mioschs Vuvuzela- und Mimosas Waldhorn-Fanfare. Die Büffelin streift hektisch an der Absperrung hin und her, Miosch zappelt wild im Jeep herum, und Alice krabbelt nach vorn, um auf dem Beifahrersitz in Deckung zu gehen.
    Sonja reagiert sehr schnell. «Jeder bleibt, wo er ist!», ruft sie und öffnet im selben Moment die Heckklappe. Der Stier, der gestern Abend noch nicht in der Lage gewesen war, auch nur zwei Schritte zu gehen, springt jetzt aus dem Jeep wie ein junger Hirsch, strauchelt, rappelt sich geschickt wieder auf und ist schon beim Trenngitter. Routiniert löst Sonja die kleine Kette, die zwei Absperrelemente miteinander verbindet, rückt das eine ein wenig auf, und wie der Blitz wischt Miosch durch die Lücke und ist bei der Büffelin. Sie schnüffelt ihr Kalb ab und beginnt es zu lecken. Aufgeregt stupst es mit den kleinen Nüstern an der Kuh herum, es sucht die Milch an ihrem Hals, an ihrer Schulter, Miosch arbeitet sich weiter über ihre Flanke, bis zum Bauch. Und jetzt, jetzt ist er unter ihr, sein aufgeregt zuckendes Körperchen verdeckt unsere Sicht auf Mimosas Euter, aber die Geräusche, die wir hören, sind eindeutig: Er trinkt!
    Vier Erwachsene und ein Kind stehen im Unterstand, blicken auf eine Büffelin und ein Kalb, das aussieht wie ein Clown mit dem weißen Milchschaum rund um Nüstern und Kinn. Würde man
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