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Lieber einmal mehr als mehrmals weniger

Lieber einmal mehr als mehrmals weniger

Titel: Lieber einmal mehr als mehrmals weniger
Autoren: Dieter Moor
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einer währschaften Verzweiflung dringend geraten. Was da ganz gut kommt, ist eine möglichst laute Verlautbarung deftiger Flüche: «Ja, Huäre Gopferdami Cheib, dass ich jetzt dich Schafseckel da triffe, ja, läck mer am Arsch, ich verrecke!» Eine Übersetzung, glaube ich, ist an dieser Stelle nicht notwendig … Es geht mir nur darum, die korrekte Haltung zu vermitteln, die ein Schweizer zeigen muss, um von seinesgleichen als «gut» eingestuft zu werden.
    Natürlich ist mit ein wenig Fluchen noch keine hinreichend stabile Vertrauensbasis geschaffen für eine Chance auf freundliche Aufnahme. Da ist schon etwas mehr gefordert. Da ist vor allem genauestens zu erklären, warum man dort unten in der Fremde
nicht
zu Tode gekommen ist. Es ist ausführlich zu schildern, dass man keiner Konfrontation ausgewichen sei bei all diesen Ausländern, dass man denen genau, aber ganz genau gesagt habe, wo der Bärteli den Moscht holt, und dass man auch nie verlegen gewesen sei um ein gutes Argument, welches man diesen Ausländerfötzeln notfalls auch per Fäuste eingebläut habe, dass aber leider diese Lumpenhunde einem aufrechten Schweizer einfach in keiner Weise gewachsen seien und man daher gar nicht anders gekonnt habe, als zu überleben. Des Weiteren ist womöglich noch ausführlicher zu schildern, warum man dort überhaupt und sowieso vollkommen verzweifelte: dass nämlich das ganze Ausland, aber wirklich das ganze, hä, voll ist mit diesen … man stelle sich das vor: Alles voll mit Ausländern! Da könne man wirklich verzweifeln, bei so vielen Ausländern, die alle Ausländisch reden, man verstehe kein Wort von denen, hä. «Aber, oder, was willst du, wenn die nicht mal normal reden können, hä, was willst du da argumentieren? Die verstehen ja nichts, da kannst du noch so laut sagen, er sei ein blöder Löli, ein Schnudder-Bub, der lacht dich immer noch an. Oder aus. Man kann es eben nie sicher wissen, gopferdammi. Da musst du dann halt eben wieder zur Körpersprache greifen, das kapiert der dann schon, will ich meinen, oder, wenn dann die Nase blutet. Und das Wybervolk, also nein, also mit denen ist es zum Verzweifeln, hä, die verstehen ja auch nur Körpersprache, hä, aber das dann dafür gut, hä … hähähähää, aber zum Heiraten sind die nichts, diese frömden Wyber, nein, wenn du so einer Chatze sagst, chratz mer mal de Ankeziger Rescht us em Chacheli und tuä mer en Batz devoo is Büürli, die versteht nichts, du hä, die grinst nur blöd, die Geiß, hä. Ich bin da wirklich verzweifelt, hä. Kannst du mir also glauben, oder.»
    Damit keine Missverständnisse entstehen, geschätzter Leser, das erzählt der Schweizer natürlich alles nur, um in der Heimat wieder als anständiger Mensch zu gelten. Selbstredend alles erfunden, erstunken und erlogen. Natürlich merkte selbst der aufrechteste Schweizer im Ausland, dass all diese Ausländer sich zueinander verhalten, als wären sie Inländer, und ihm gegenüber, als wäre
er
der Ausländer. Selbst unser Seppli hat mitgekriegt, dass er im Ausland eine Ein-Personen-Minorität darstellt. Und hat sich, überlebensstrategisch gesehen, entsprechend klug und richtig verhalten: nämlich genauso wie zu Hause. Bescheiden, gefällig, ja, aus der Sicht der Inländer im Ausland könnte man fast sagen duckmäuserisch. Selbstverständlich mit schlechtem Gewissen und immer in der Hoffnung, dass kein anderer Schweizer ihn so sehen möge, so kriecherisch statt kriegerisch. Darum hat er die Faust dann doch lieber im Sack gelassen, beim Sackmesser, und sich dafür in bunten Farben und schillernden Details ausgemalt, wie er sich als guter Schweizer hier in der Fremde aufzuführen hätte, eigentlich, und was er dann später, wenn er wieder bei den anderen Schweizern in der Schweiz wäre, was er denen dann erzählen würde, wie gut er sich benommen habe, dort im Ausland, als guter Schweizer.
    Bis heute
fürchten sich die Schweizer vor Ausländern, weil sie diese Lügengeschichten in den Genen haben, die Geschichten von den Keilereien, den blutigen Nasen und der Verachtung gegenüber den Frauen: «Also, wenn man sich als guter Schweizer im Ausland so verhält, ja, wie werden sich dann die Ausländer bei uns verhalten, um als gute Ausländer zu gelten? Doch genauso schlimm, oder? Oder aber sie benehmen sich weniger schlimm, das wäre aber auch nicht gut, weil: Wenn die sich gut benehmen, ist das ja ein Zeichen dafür, dass sie gar keine guten Ausländer sein wollen, und das ist ja dann
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