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Lieber einmal mehr als mehrmals weniger

Lieber einmal mehr als mehrmals weniger

Titel: Lieber einmal mehr als mehrmals weniger
Autoren: Dieter Moor
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geworden. Dann stellte er in ruhigem, sachlichem Ton fest: «Du hast ja einen an der Waffel, Mensch, aber ernsthaft, hast du ’nen Sprung in deiner Matschbirne.» Nach diesem abschließenden Urteil über meinen Seelenzustand wandte er sich kopfschüttelnd ab und fixierte einen Punkt weit vorne, dort, wo die Straße im Wald verschwand. «Beobachtet der doch Füchse! Und freut sich über den Nachwuchs. Mitten uff der Landstraße. Nee, also,
da
komm ich nicht mehr mit, da ist bei
mir
Feierabend.» Krüpki betätigte den Fensterheber, und während die Scheibe hochsurrte, befahl er: «Mach, dass de endlich nach Hause kommst. Deine Frau macht sich Sorgen! Wie ich merke, zu Recht.» Er startete, fuhr rasant los und verschwand mit kreischendem Motor aus dem Blickfeld. Ohne gegrüßt zu haben.

[zur Inhaltsübersicht]
    Verdacht
    «Sonja?», rief ich ins Haus. Keine Antwort. «Wo ist Sonja?», fragte ich die beiden Berner Sennenhunde, die mich begeistert begrüßt hatten. Sie stellten die Köpfe schief, guckten mich erwartungsvoll an, als würden sie des Rätsels Lösung gleich erlauschen. «Sonja, wo ist sie?», fragte ich noch mal.
    «Wuff», machte Zora und wedelte mit dem Schwanz.
    «Sonja, suuuuch Sonja.»
    «Kläff», machte Momo und legte sich hin. Bei Lassie und Tim funktionierte das besser, so viel stand fest.
    Von welchen Sorgen hatte Krüpki nur gesprochen? Worüber mochte sich Sonja sorgen? Und wo war sie?
    «Sonjaaa», rief ich in den Stall. Keine Antwort. Sehr beunruhigend. Was war geschehen?
    «Sonjaaaa, wo bist duuuuu?», rief ich in die Scheune. Keine Antwort. Was war los? Womit hatte meine Frau zu kämpfen gehabt, während ich es mir gestattet hatte, am Wegesrand Füchsen zuzuschauen. War es schlimm? Hätte ich es verhindern können, wenn ich früher zu Hause gewesen wäre? Wie hoch war der Preis für meine Säumigkeit? «Selber schuld», mahnte der kleine Schweizer, «du hast die Regel gebrochen. Du kennst doch das oberste Lebensprinzip: zuerst die Pflicht und dann das Vergnügen.» Er hatte recht: Die Pflicht wäre natürlich gewesen, erst mal nachzusehen, ob am Hof alles in Ordnung ist. Und ob alles in Ordnung ist mit Sonja. Verdammt, ich hatte es versemmelt.
    Ich suchte meine Frau auf dem ganzen Hof, im Keller, im Haus, ich sprang in den Jeep und fuhr zu Schafweide, keine Sonja, weder bei den Tieren noch im Unterstand und auch nicht dahinter. Das war ein Alarmzeichen: Sonja war definitiv weg, die Hunde aber da. Sie nimmt sie doch immer mit, wenn sie länger weg ist.
    Nun war ich ernstlich in Sorge. Die Ungewissheit nagte an meinen Nerven.
    Als ich vor unserem Haus aus dem Auto stieg, sah ich sie. Sie kam barfuß über den Dorfanger marschiert, eine Einkaufstüte baumelte an ihrem Arm. Sie winkte fröhlich. «Grüß dich, mein Schaaaaatz», rief sie. Erleichtert lief ich ihr entgegen, wir trafen unter dem bronzenen Reiterdenkmal ohne Reiter aufeinander, und ich schloss sie fest in meine Arme. «Uff, bin ich froh! Wo warst du denn? Ich hab mir schon Sorgen gemacht.»
    «Sorgen? Heute ist wohl der Tag der besorgten Männer», lachte sie und verpasste mir einen Schmatzer auf den Mund.
    «Na ja, die Hunde waren da, und du nicht, und …»
    «Dieter, ich war bei Frau Widdel und hab uns ein paar Gutsis geholt, ich hab ja gewusst, dass du jede Minute auftauchen wirst.»
    «Woher wusstest du … ich meine, ich hab ja gar nicht angerufen …»
    «Von Krüpki. Der hat dich gesehen und mir gesagt, dass du schon vor dem Dorf stehst.»
    «Was? Krüpki ist extra rumgekommen, um dir zu erzählen, er hätte mich vor dem Dorf gesehen?» Ich fand Krüpkis Verhalten immer wunderlicher.
    «Na ja, er hat sich eben Sorgen gemacht, drum sag ich ja: Heut ist der Tag der Sorgenmänner.»
    «Aber was ist denn passiert? Ich versteh überhaupt nicht …»
    «Lass uns erst mal einen Kaffee zum Kuchen machen, dann erzähl ich dir alles, mein lieber Maaaaan.»
     
    Sonja kommt von der Schafweide zurück, wo sie den Unterstand ausgemistet, nach den Lämmern gesehen und frisches Wasser in die Tränken gefüllt hatte. Jetzt freut sie sich auf ihren Kaffee, den sie in aller Ruhe genießen würde, bevor sie wieder in ihrem Büro hocken und den Kampf gegen den schlimmsten Feind jedes Bauern kämpfen muss: gegen das Papiermonster, das ständig wächst und wächst und mittlerweile fast die ganze Wand mit Ordnern füllt. Agraranträge, Flächenwidmungspläne, Geschäftsmodelle, Totalgewinnkalkulationen, Steueranträge, -eingaben,
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