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Lieber einmal mehr als mehrmals weniger

Lieber einmal mehr als mehrmals weniger

Titel: Lieber einmal mehr als mehrmals weniger
Autoren: Dieter Moor
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-bescheide, -erklärungen und -prognosen! Ökokontrollstellen-, Demeter-Verband-Slowfood-, Amtstierarztkorrespondenz! Tierbestandsdokumentationen, Weidenutzungsnachweise, Flächenumwidmungsanträge … Das Leben in und mit der Natur erfordert einen beachtlichen Anteil unnatürlich zu verbringender Lebenszeit!
    Sonja setzt sich mit ihrer Tasse an den Küchentisch und lässt zufrieden noch einmal diesen Bilderbuchvormittag Revue passieren. Das gibt ihr Kraft für den bevorstehenden unausweichlichen Kraftakt. Da hört sie Krüpkis durchdringende Stimme:
    «Ihr Hunde lernt es wohl nie, was? Hier steht ein Fremder mitten auf dem Hof und ihr merkt mal wieder gar nichts, und wenn ihr es merkt, wisst ihr nichts Besseres zu tun, als euch streicheln zu lassen, statt Alarm zu geben.» Sonja blickt aus dem Fenster und sieht Krüpki nach den Hunden grapschen, die ihn freudig umspringen. «Ja, ist ja gut, ist ja guuut, jaaa … Aus euch werden trotzdem nie richtige Wachhunde, det könnt ihr vergessen. Haaaaalo, Soooonja?»
    «Bin da, Krüpki, komm rein, und mach nicht wieder das ganze Dorf narrisch mit deinem Geschrei!»
    Krüpki sitzt Sonja gegenüber am Tisch und setzt seine Tasse sorgfältig und gewichtig ab. «Dachte, ich muss mal gucken, was los ist bei der Jungbäuerin», sagt er mit so leiser und ernster Stimme, dass Sonja verwundert aufblickt.
    «Was soll los sein, Krüpki?», erkundigt sie sich.
    «Los ist immer, was los ist, Frau Sonja!»
    «Na, so gesehen», lacht sie ihn an, «ist natürlich viel los, wie auf jedem Bauernhof.»
    «Hör mal, wir kennen uns doch jetzt schon eine kleine Weile, da brauchst du dem alten Krüpki kein Theater vorspielen. Ich kenn das Leben ja nun auch schon ein wenig in- und auswendig. Also, Kleene! Nu erzähl mal, was dich bedrückt, hm?»
    Kleene? Hat er wirklich «Kleene» gesagt? Sonja traut ihren Ohren nicht. So hat Krüpki sie noch nie genannt. Aus dem Mund des dorfbekannten Polterers ist das geradezu ein liebevoller Kosename. Was ist nur los mit dem Mann?
    «Krüpki, warum die Flötentöne, was willst du von meiner Seele?»
    «Na ja, ich will, dass du mal deine harte Schale ein bissecken aufweichst und mir erzählst, was los ist mit dir und deinem Mann.»
    «Ich versteh nicht, was du meinst? Herrgott, so red doch nicht so mystisch daher, Krüpki!»
    Der nimmt wieder einen bedächtigen Schluck Kaffee, seine wasserblauen Äuglein fixieren Sonja über den Tassenrand hinweg. «Das ist doch Scheiße, Sonja, totale Scheiße ist das, alles in sich reinzufressen und niemandem was zu sagen. Glaub mir, ich weiß, wovon ich rede. Hab ich nämlich auch immer gemacht, wenn ich mit meiner Lotte mal wieder über Kreuz lag. Bringt aber gar nichts, gar nichts, det is Kacke.»
    Sonja versteht gar nichts mehr. Das Einzige, was sie begreift: Krüpki hat ernsthaft was auf dem Herzen. Er wird es über kurz oder lang schon ausspucken, jetzt heißt es, einfach abwarten.
    «Na?», fragt Krüpki schließlich.
    «Na?», macht Sonja zurück.
    «Ich hätte gedacht, dass du mir vertraust, Kleene. Dass de dich mal ordentlich aussprichst, dein Herze erleichterst. Dass dir vielleicht sogar einfallen könnte, dass dein Freund Krüpki, wer weiß, den einen oder anderen guten Rat auf Lager haben könnte, so als trainierter Ehemann.»
    «Jederzeit würde ich dich um Rat fragen, Krüpki, wenn du mir endlich mal sagen würdest,
welchen
Rat ich deiner Ansicht nach brauche.»
    «Willste mich jetzt ärgern, oder was?» Krüpkis Stimme verändert sich endlich wieder in den Modus «normal». Also laut. «Das ist doch klar wie Pferdepisse, was du für ’nen Rat brauchst, Sonja. Jede Ehe hat doch mal ’ne Krise, na und? Kommt in den besten Familien vor, also mach hier nicht einen auf tapfere Bäuerin, das hasse ich nämlich, dieses Getue, und hinterher rennste wie ’ne Heulboje durchs halbe Dorf, weil es dir leid tut, leid, dass de mit niemandem geredet hast. So ’ne Scheiße aber auch immer mit euch Weibern! Früher habt ihr wenigstens gleich losgeflennt, und denn konnte man die Rettungsaktion starten und das Reparaturprogramm, aber ihr jungen Dinger von heute …, ihr seid ja alle so stark, dass man kotzen könnte.»
    Jetzt muss Sonja lachen, sie ist erleichtert: Da brüllt er wieder, der alte Krüpki. Gott sei Dank, er ist wieder normal!
    Sie steht auf, stellt sich vor ihn hin, sticht mit dem Zeigefinger auf seine Brust herab und schreit: «Halt!» Krüpki verstummt abrupt. «So, mein lieber Nachbar und Pferdeflüsterer.
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