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Lieber einmal mehr als mehrmals weniger

Lieber einmal mehr als mehrmals weniger

Titel: Lieber einmal mehr als mehrmals weniger
Autoren: Dieter Moor
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Behandle mich nicht wie eine deiner Stuten, sondern wie einen Menschen. Sag, was du gesehen, gehört, gerochen oder erlebt hast, und zwar der Reihe nach!»
    «Is ja gut, is ja gut, nu mal langsam mit die Gäule, setz dich wieder auf deinen Hintern und hör zu.» Krüpki ist ebenfalls aufgestanden, und droht: «Denn sollste es eben jetzt auf die harte Tour kriegen. Bitte, gerne!»
    Beide setzen sich wieder an den Tisch, einander gegenüber, wie die Kombattanten eines bayerischen Fingerhakelduells. Krüpki lehnt sich zurück und streicht sich mehrmals über den Kopf, im erfolglosen Versuch, seinen weißen Windspielflaum zu bändigen.
    «Ich höre», sagt Sonja.
    «Wohlan! Du willst es ja nicht anders!» Krüpki beugt seinen Oberkörper vor bis zur Tischkante und legt seine Hände, ineinandergefaltet, vor sich auf das Holz.
    «Also», hebt er an. «Ich mache mich, nichts Böses denkend, auf den Weg nach Schmachthagen, ein paar Einkäufe besorgen für meine Lotte, wa? Also ich fahr gemütlich Richtung Wald, und seh schon von Weitem, da steht so ’n weißen Jeep am Straßenrand. Denk mir aber nichts dabei. Noch. Erst als ich schon fast hinterm Wald und an der Bundesstraße bin, macht’s Klick. Det war doch eure Kiste! Det war doch der Dieter, der da drinne saß! Ob der ’ne Panne hat? Nee, dachte ich, kann ja nicht sein, denn wär der doch einfach die zwei Kilometer nach Hause gelaufen, hätte seinen Hürlimann geholt, und ihr hättet die Karre abgeschleppt. Aber warum, fragte es in meiner Birne, warum sitzt der einfach so da, mitten auf der Landstraße, und steigt nicht aus? Mmm?»
    Sonja macht keine Anstalten, eine Antwort auf seine Frage anzubieten.
    «Na, Sonja, det begreift doch selbst der döfste Jockey: Der steigt nicht aus, der Mann, weil er nicht aussteigen kann! Weil, ihm geht es nämlich nicht gut. Der ist rechts rangefahren, weil er was hat. ’n Herz- oder Hirnschlag, was weiß man schon? Man weiß ja nie nichts!»
    Jetzt ist Sonja einigermaßen alarmiert. «Krüpki, erzähl kein Scheiß, was ist mit Dieter?»
    «Hör auf, mich zu verarschen, verflucht», schreit der. «Das weißt du doch selber ganz genau am besten, dass dein Mann kein’ Schlag hat. Also ’nen Schlag hat der schon, aber eher nicht so einen, wo man ’nen Krankenwagen braucht. Das weißt du doch ganz genau, du falsche Schlange! Aber ich, ich hab’s nicht gewusst, weil ich ja nie was erzählt bekomme von dir, weil du immer alles in dich reinfrisst wie ’n Müllschlucker! Also ich wende und fahr zurück, noch mal zum Jeep. Fahr ganz langsam von hinten an den ran. Da seh ich, wie Dieter plötzlich so zur Seite zuckt. Als ob er sich auf den Beifahrersitz legen wollte. Ich bin dann, jetzt ganz, ganz langsam, an ihm vorbei und linse in seine Karre. Alle Fenster offen hat der, und sitzt so hinterm Lenkrad, ganz ruhig. Guckt aber nicht. Der weiß doch ganz genau, dass ich da bin, der muss mich doch hören mit seinen verfluchten offenen Fenstern, das kann anders nicht sein! Aber er guckt trotzdem nicht. Verstehste? Sitzt nur da und starrt vor sich hin, wie so ’ne olle Schildkröte. Mit verkniffenem Gesicht und so ’n bisschen gesenktem Kopf. So wie einer, der nicht weiterweiß …
    Ich sage dir Sonja, det war mir unheimlich. Ich sag’s, wie’s war: Unheimlich war mir dette. Wie der nur so vor sich hin guckt, statt zu mir. Und nicht angesprochen werden will. Was soll ich machen? Ich geb wieder Gas, Richtung Dorf. Und denn macht’s wieder Klick bei mir. Warum, frag’ ich mich, warum steht ein Mann am Straßenrand, obwohl er keine Panne hat und keinen Herzinfarkt und nix, warum steht der da und fährt nicht einfach weiter? Sind doch nur noch die letzten zwee Kilometer nach Hause, zu seine Frau? Ich sag’s dir, obwohl du es selber weißt: Weil er nicht nach Hause will! Und warum will er nicht nach Hause, sondern lieber ein bisschen vor sich hin starren? Auch das weißt du, Sonja: Weil er mit seiner Frau über Kreuz ist. Und zwar mächtig. Weil er sich denkt, die Ehe ist im Arsch und alles ist im Eimer und nun geht alles den Bach runter.»
    Krüpki lehnt sich erschöpft zurück und beobachtet Sonja.
    «Krüpki», sagt sie beschwörend, «wenn Dieter und ich im Streit wären, hätte ich das doch mitgekriegt, oder? Sind wir aber nicht!»
    «Nicht?», fragt Krüpki
    «Nö», sagt Sonja und blickt ihm offen ins Gesicht.
    «Verarschst du mich?»
    «Nö.»
    «Sicher?»
    «Sicher.»
    «Schwörste, beim Leben deines Mannes?»
    «Krüpki, mach dich
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