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Lieben: Roman (German Edition)

Lieben: Roman (German Edition)

Titel: Lieben: Roman (German Edition)
Autoren: Karl Ove Knausgård
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Küche.
    John saß in seinem Babystuhl und schlug mit Messer und Gabel auf den Tisch. Vanja und Heidi starrten mich und meine langsamen, umständlichen Bewegungen an, als ich mich setzte.
    »Was für ein Tag!, sagte Linda. »Martin wusste doch nichts, er meinte nur, dass man dich zur Ambulanz gefahren hat. Zum Glück hat er uns geholfen, nach Hause zu kommen, aber als ich aufschließen wollte, ist der Schlüssel abgebrochen. Großer Gott. Ich sah schon vor mir, dass wir bei ihnen übernachten müssten, aber dann habe ich sicherheitshalber noch einmal in die Tasche geguckt, und da lag Berits Schlüssel, das war pures Glück, ich hatte ihn nur nicht an seinen Platz zurückgehängt. Und dann kommst du mit einem gebrochenen Schlüsselbein nach Hause…«
    Sie sah mich an.
    »Ich bin so kaputt«, sagte sie.
    »Es tut mir leid«, sagte ich. »Aber ich kann bestimmt nur
in den ersten Tagen gar nichts tun. Außerdem ist der andere Arm ja völlig in Ordnung.«
    Nach dem Abendessen legte ich mich mit einem Kissen im Rücken auf die Couch und sah mir im Fernsehen ein Spiel der italienischen Liga an. Im Laufe der vier Jahre, die wir mit Kindern lebten, hatte ich so etwas nur ein einziges Mal gemacht. Damals war ich so krank gewesen, dass ich mich nicht bewegen konnte, und hatte einen ganzen Tag auf der Couch gelegen, zehn Minuten des ersten Jason Bourne-Films gesehen, kurz geschlafen, dann wieder zehn Minuten geguckt, kurz geschlafen, mich zwischendurch übergeben, und obwohl mir der ganze Körper wehtat und mein Zustand im Grunde unerträglich war, genoss ich jede Sekunde. Auf der Couch zu liegen und am helllichten Tag einen Film zu sehen! Keinerlei Verpflichtungen! Keine Kleider, die ich waschen, kein Fußboden, den ich putzen, kein Abwasch, den ich übernehmen, keine Kinder, um die ich mich kümmern konnte.
    Jetzt hatte ich das gleiche Gefühl. Ich konnte nichts tun. Unabhängig davon, wie es in der Schulter brannte und stach und schmerzte, war die Freude darüber, in Ruhe auf der Couch zu liegen, größer.
    Vanja und Heidi umkreisten mich, kamen von Zeit zu Zeit zu mir und strichen mir vorsichtig über die Schulter, gingen anschließend weiterspielen, kehrten zurück. Für sie war es wahrscheinlich unerhört, überlegte ich, dass ich plötzlich ganz passiv und regungslos war. Es kam mir vor, als würden sie mich neu entdecken.
    Nach dem Schlusspfiff wollte ich ein Bad nehmen. Wir hatten keine Halterung für den Duschkopf, mussten ihn in die Hand nehmen, was nun jedoch ausgeschlossen war, so dass ich Wasser einlassen und mühselig in die Wanne steigen musste. Vanja und Heidi hatten mich begleitet.
    »Brauchst du Hilfe beim Waschen, Papa?«, sagte Vanja. »Sollen wir dich waschen?«
    »Ja, das wäre toll«, sagte ich. »Siehst du die Waschlappen da? Nehmt euch jeder einen, und dann taucht ihr ihn ins Wasser und gebt etwas Seife darauf.«
    Vanja befolgte penibel meine Anweisungen, Heidi folgte ihrem Beispiel. Und schon standen sie über den Wannenrand gebeugt und seiften mich mit ihren Lappen ein. Heidi lachte, Vanja war ernst und zielstrebig. Die Arme wuschen sie und den Hals und die Brust. Heidi verlor schnell die Geduld und lief ins Wohnzimmer, während Vanja noch eine Weile stehen blieb.
    »War das gut?«, sagte sie schließlich.
    Ich musste grinsen, das sagte ich sonst immer.
    »Ja, das war supergut«, antwortete ich. »Ich weiß nicht, was ich ohne dich gemacht hätte!«
    Sie strahlte, dann lief auch sie ins Wohnzimmer.
    Ich blieb liegen, bis das Wasser kalt geworden war. Erst ein Fußballspiel im Fernsehen, danach ein langes Bad. Was für ein Sonntag!
    Vanja kam zwei Mal herein, um nach mir zu schauen, wahrscheinlich wartete sie darauf, dass die Bandage angelegt wurde. Sie sprach natürlich Schwedisch, und das immer noch mit einem Stockholmer Tonfall, aber wenn ich einen ganzen Vormittag oder Nachmittag mit ihr verbracht hatte oder sie sich mir in anderer Weise nahe fühlte, tauchten häufiger Worte aus meinem norwegischen Dialekt auf. Darüber musste ich jedes Mal lachen.
    »Kannst du bitte die Mama holen gehen?«, sagte ich jetzt.
    Sie nickte und lief davon. Ich stieg vorsichtig aus der Wanne und hatte mich abgetrocknet, als Linda hereinkam.
    »Könntest du mir die Bandage anlegen?«, fragte ich.
    »Klar«, antwortete sie.
    Ich erklärte ihr, wie sie liegen sollte, und sagte, dass sie fest ziehen müsste, denn sonst würde sie nichts bringen.
    »Fester!«
    »Tut es dann nicht weh?«
    »Ein bisschen, aber je fester sie
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