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Liebe wird oft überbewertet

Liebe wird oft überbewertet

Titel: Liebe wird oft überbewertet
Autoren: Christiane Rösinger
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angeführt, wenn es gilt, die demographische Katastrophe heraufzubeschwören. Ihr Ziel ist dabei, das Bild der traditionellen Kleinfamilie aufrechtzuerhalten.
    Wie Singles so sind
    Man kann sich zwar nicht genau einigen, wer überhaupt Single ist, aber in Zeitschriften und Zeitungen, darunter besonders im »Focus« und in der »Welt«, wird immer wieder darüber aufgeklärt, wie Singles so sind. Einsam nämlich, unzufrieden, regelrecht verzweifelt sind sie.
    Eigentlich sind aber Singles völlig unterschiedlich, das stellt auch Stefan Hradil in seiner Studie »Die Single-Gesellschaft« fest und gibt einen Überblick der sozialwissenschaftlich herausgearbeiteten Motivationstypologien von Singles.
    Eva Jaeggi nennt »die Vorsichtigen«, »die Hoffenden« und »die Zufriedenen« als verbreitete Singletypen. Heide Soltau kennt folgende Arten von Singles: »die Experimentierfreudigen«, »die Autonomisten«, »die Unzufriedenen«, »die Suchenden«, »die Abgeklärten«.
    Sybille Weber und Claus Gaedemann unterscheiden zwischen vier Singletypen: »Egoistische Singles«, »Defensive Singles«, »Distanzierte Singles« und »Offensive Singles«.
    Ronald Bachmann hält drei Motivationstypen auseinander: »Lonely Singlehood«, »Creative Singlehood« und »Ambivalent Singlehood«.
    Hat man die Singles mit Mühe und Not halbwegs statistisch eingekreist, kommt die nächste grobe Einteilung der Singleforschung in freiwillige und unfreiwillige Singles.
    Aber schon Beobachtungen im Umfeld zeigen, dass solch eine Trennungslinie schwer zu ziehen ist. Es gibt Singles, denen ihr Singleleben ab und zu seltsam und absurd erscheint, obwohl sie sich die meiste Zeit sehr wohl dabei fühlen.
    Und eine große Gruppe der Alleinstehenden hätte wohl nichts dagegen, sich zu verlieben, aber nicht um jeden Preis. Sie sind lieber allein, als allzu viele Abstriche und Kompromisse machen zu müssen. Das wird wiederum vor allem von konservativen Singleforschern als moderner Egoismus angesehen. Es könnte aber auch einfach damit zu tun haben, dass Frauen nicht mehr auf einen Versorger angewiesen sind und es nicht unbedingt nötig haben, sich einer Pärchenideologie unterzuordnen, die sie mehr oder weniger versklavt. Wem das zu ideologisch klingt: Wenn der Leidensdruck nicht groß genug ist, warum sollten sich Menschen ohne Not in die Zwänge der Zweisamkeit begeben und ein unschöneres, unfreieres Leben führen?
    Diese Beobachtung wird auch durch die Untersuchungen von Bachmann gestützt. Er führt aus, dass das Extrem der »leidenden Unfreiwilligkeit« am ehesten bei geschiedenen Männern vorkommt, das andere Extrem des »freiwilligen, euphorischen Singles« bei vielen ledig gebliebenen Männern und einigen geschiedenen Frauen zu finden ist. Die große Mehrheit der Singles weist bei der Lebensführung Motive zwischen beiden Polen auf. 85 % aller Singles möchten für die eigene Zukunft eine erneute Paarbindung nicht ausschließen, auch wenn Vorbehalte gegen ihre Realisation bestehen. Bachmann beobachtet biographische Prozesse bei Singles, die über längere Zeit alleine leben, und sieht nach der ersten Phase der Euphorie oder Verzweiflung ein Sich-Einrichten im Singlestatus. Dabei tritt eine Stabilisierung ein, in der immer mehr positive Erfahrungen gemacht werden – dadurch wachsen die Ansprüche an den möglichen Beziehungspartner, und die Kompromissbereitschaft sinkt.
    Wer aber nicht um jeden Preis einen Partner braucht, wer alleine lebt und nicht so verzweifelt ist, dass er sich auf jedes Angebot einlässt, der gilt dann als allzu wählerisch. Und selbst wenn für diesen uneinsichtigen Single im Moment noch alles in Ordnung ist, im Alter wird er es bereuen!
    Armer Singlemann, arme Singlefrau
    Während man früher dem alleinstehenden Mann eher positiv heldenhafte Attribute als Freigeist, Cowboy, Rebell, einsamer Wolf, Krieger, Odysseus zuwies, wird er heute gern als ewiger Junggeselle, verkappter Schwuler, verklemmter Einzelgänger, Muttersöhnchen, Workaholic, Egoist, Sonderling und Hagestolz diskriminiert, als impotent, bindungsunfähig, emotional verarmt und verhaltensgestört.
    Bei den Frauen gibt es die Alternative zwischen Alte Jungfer und Spätes Mädchen: zu alt, nicht attraktiv genug, keinen abbekommen, zu stolz, neurotisch, zickig, zu eingebildet, sitzengelassen. Karrierefrau – aber einsam.
    Bislang war es so, dass Männer wegen ihrer Unabhängigkeit beneidet wurden, Frauen hingegen bemitleidet, weil sie keinen Partner abgekriegt
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