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Liebe wird oft überbewertet

Liebe wird oft überbewertet

Titel: Liebe wird oft überbewertet
Autoren: Christiane Rösinger
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durchschnittliche Liebeskummer in den letzten Jahren so viel schlimmer geworden, dass jetzt auch relativ stabile Menschen sich nach einer Trennung in ärztliche Fürsorge begeben müssen? Oder ist die Liebeskummer-Therapie zu einem Lifestyle-Produkt geworden, beworben durch »Ally McBeal« und andere Serien, deren Titelhelden ständig zum Psychiater rennen?
    In Berlin gibt es sogar die Dienstleistungsfirma »Die Liebeskümmerer«. Eine auf Liebeskummerkranke spezialisierte Agentur organisiert zu stolzen Preisen Gruppen-, Wellness- und Gourmetreisen in Vier-Sterne-Hotels plus psychologische Beratung, Gruppengespräche und Freizeitangebote. Wenn es denn nützen würde, o.k. – aber eine Woche gut essen, spazieren gehen und reden, und alles ist geritzt? Das ist zu bezweifeln.
    Über die »normale« Länge des Liebeskummers streiten sich ja Betroffene und die Fachwelt. »Wie lange dauert es noch?«, jammert der Patient, »genauso lange, wie die Beziehung gedauert hat, oder halb so lange?« Fachleute gehen davon aus, dass man vier lange Jahreszeiten mit ihren jeweiligen Erinnerungen überstehen muss, bis man annähernd über eine Trennung hinweg ist. Und die seelische Veranlagung, die Tiefe der Beziehung, der Grad der Verletzung und Enttäuschung spielen natürlich auch eine Rolle.
    Nachdem also organisierte Single-Reisen zur Partnervermittlung angeboten werden, das »Romantikhotel« zur Beziehungsfestigung gebucht werden kann, gibt es nun auch Liebeskummerreisen für das traurige Ende. Und mit ihnen wird ein weiterer bislang intimer Zustand mit den Mitteln der Eventkultur vulgarisiert.
    Auch der römische Dichter Ovid riet in seinen »Heilmitteln gegen die Liebe« den von Liebeskummer Gepeinigten zur Geselligkeit und zum Meiden der Einsamkeit. Er gab aber auch den guten Ratschlag: »Gib’ deinem leeren Geist eine Aufgabe, die ihn packe!«
    Lob der Statistik
    Ein weiterer Trost kann für frisch Getrennte auch in der Statistik liegen. »Das Junggesellendasein ist gefährlicher als die Atomkraft«, verkündete der türkische Energieminister Yildiz, als er trotz Fukushima das erste Atomkraftwerk in der Türkei bauen wollte. Aber wir und die Statistik wissen es besser: Schlussmachen geht praktisch immer und ist für Frauen gesünder als eine Beziehung!
    Yildiz hatte sich mit seinem gewagten Vergleich auf soziologische Studien aus den USA bezogen, wonach unverheiratete Menschen im Schnitt sechs Jahre früher sterben als Verheiratete. Die Atomkraft verkürze das Leben statistisch gesehen aber nur um 0 , 03 Tage.
    »Ich vertraue nur Statistiken, die ich selbst gefälscht habe«, soll Winston Churchill einst gesagt haben. (Mittlerweile wird in vielen Publikationen darauf hingewiesen, dass dieses in England völlig unbekannte Zitat nicht von Churchill stammt, sondern ihm wahrscheinlich vom deutschen Propagandaministerium unter Goebbels angedichtet wurde.) Aber das Zitat hat trotzdem recht! Gerade zum Themenfeld Liebe, Ehe und Sex werden dauernd neue Statistiken veröffentlicht, man findet sie in Apothekenheftchen und Adelspostillen, im »Focus« und auf »Spiegel-Online«, und sie sagen: Verheiratete leben länger, Ehe macht glücklich, Küssen ist gesund.
    Auch der Soziologe Stefan Hradil behauptete im »Spiegel«, das Singledasein sei eine riskante Lebensform. Singles hätten zwar größere Netzwerke, mehr Freunde und Bekannte, aber im Alter wären sie dann doch auf sich alleine gestellt. Die befragten Singles von heute würden sich im Alter in einer »Senioren- WG « sehen, dazu gebe es heute aber noch keine Untersuchungsergebnisse.
    Tatsächlich wirkt sich die Ehe auf die Gesundheit der Eheleute aus, aber das geschlechtsspezifisch. Verheiratete Männer leben länger und gesünder als unverheiratete, Frauen wiederum geht es gesundheitlich besser, wenn sie alleine leben.
    Zu diesem Ergebnis kam schon vor Jahren eine Harvard-Studie. Auch das Helmholtz-Forschungszentrum für Gesundheit stellte bei Singlemännern ein erhöhtes Diabetesrisiko fest, bei Singlefrauen nicht. Die Kent University Ohio fand heraus: Eine unglückliche Ehe macht Frauen krank. Wogegen die Johns Hopkins University in Baltimore behauptete: Wer geschieden oder verwitwet ist, hat gegenüber Verheirateten ein um 20 % höheres Risiko für chronische Erkrankungen.
    Aber die University of Chicago gab bekannt: Verheiratete Männer, die einen Herzinfarkt hinter sich haben, leben in Industrienationen acht Jahre länger. Männer ohne Partnerin sterben vor der Zeit.
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