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Liebe wird oft überbewertet

Liebe wird oft überbewertet

Titel: Liebe wird oft überbewertet
Autoren: Christiane Rösinger
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haben. Durch das Aufleben der alten Familienwerte und den inszenierten Kampf »Familien gegen Singles« werden jetzt aber auch alleinstehende Männer an den Pranger gestellt. Singles beiderlei Geschlechts gelten als gleich egoistisch und sozial verantwortungslos. Sie sind schuld, wenn die Deutschen aussterben, und beanspruchen für ihr lockeres Leben auch noch Wohnraum, den die Familien dringend brauchen. Obwohl Singles höhere Lebenshaltungs- und Mietkosten aufbringen müssen, diskutierte man sogar eine Sondersteuer für Kinderlose und das Familienwahlrecht.
    Kulturpessimistische Kleinfamilienbewahrer warnen vor der Singlegesellschaft – es ist überall eine mangelnde Akzeptanz des Singledaseins zu beobachten.
    Die Stereotypen und Vorurteile sind langlebig und dauerhaft, und Singles leiden unter den Klischees, die über sie im Umlauf sind. Es herrscht noch längst keine Anerkennung der Ehe- und Partnerlosigkeit als gleichwertiger Dauerlebensform, und noch immer werden Frauen stärker in die Defensive gedrängt als Männer.
    Da können noch so viele fetzige Singleromane erscheinen und »Sex and the City«-Nachfolgerserien gedreht werden – solange die Bridget Jones’ und Carrie Bradshaws am Schluss zielstrebig in den sicheren Hafen der Ehe einlaufen und zum Happy End die Hochzeitsglocken läuten, tragen diese vermeintlich modernen Singlegeschichten auch nur dazu bei, Klischees zu verfestigen und die Paarideologie hochleben zu lassen.
    Dabei war man, was das Akzeptieren verschiedener Lebensstile angeht, doch schon einmal viel weiter.
    Die Singlebewegung in den USA
    In den USA gab es in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts eine große Singlebewegung. Aber die Errungenschaften dieser Zeit fielen dem »Backlash« der Achtziger, dem Erstarken der konservativen Familienwerte, zum Opfer. Seit den neunziger Jahren kann man gar von einem Kulturkampf um Ehe und Familie sprechen, der sich infolge der Ereignisse des 11 . September 2001 noch verschärft hat.
    Der Soziologe Bernd Kittlaus gibt auf seiner Website single-generation.de einen Überblick über die Singlebewegung in den USA .
    In den fünfziger Jahren, dem »Golden Age of Marriage«, galt das Unverheiratetsein als abweichende Lebensform und ein unverheirateter Mann als emotional unreif oder latent homosexuell. Junggesellen über dreißig wurde eine Psychotherapie empfohlen, und man diskutierte, ob es Junggesellen gesetzlich verboten werden sollte, Schulkinder zu unterrichten.
    Die negativen Bezeichnungen für Unverheiratete wie »Bachelor«, »Spinster«, »Old Maids« (Junggeselle, alte Jungfer, spätes Mädchen) wurden erst in den sechziger Jahren durch den Begriff »Single« abgelöst, als durch den Wandel zur Dienstleistungsgesellschaft die Rahmenbedingungen für die Singlekultur in den amerikanischen Metropolen geschaffen wurde. Die Frauenerwerbstätigkeit nahm zu, jüngere Unverheiratete zogen in die Innenstädte, die wohlhabenden Mittelklassefamilien in die Suburbs. Helen Gurley Brown entwarf in ihrem Bestseller »Sex and the single girl« von 1962 das Bild einer bewundernswerten, unverheirateten Frau, die sowohl im privaten Leben wie auch im Berufsleben Erfolg hat.
    Singlegerechte Wohnanlagen und Single-Bars entstanden als Ausdruck der neuen Single-Kultur. Die sexuelle Revolution der sechziger Jahre brachte den »Swinging Single« hervor.
    Mit der Frauenbewegung der siebziger Jahre wurde zum ersten Mal die Institution der Ehe und die heterosexuelle Paarbildung in Frage gestellt. Befürworterinnen des Singlelebens meldeten sich zu Wort und propagierten das Unverheiratetsein als befriedigendere Lebenssituation, stellten die Mutterrolle in Frage und sahen Kinderlosigkeit als Option.
    Die amerikanische Familiensoziologin Jessie Bernard spricht in ihrem Buch »Über die Zukunft der Ehe« ( 1972 ) von zwei Ehen, zwischen denen unterschieden werden muss: His Marriage/Her Marriage, die Ehe des Mannes und die seiner Frau. Diese beiden Ehen verlaufen selten konform. Bernard kommt in ihren Untersuchungen zum Schluss, dass Männer von der Ehe eher profitieren, während Frauen eher unter ihr leiden, depressiv und krank werden. Im statistischen Vergleich von männlichen und weiblichen Ledigen über dreißig geht es den unverheirateten Frauen am besten. Auch die Feministin Caroline Bird kam in ihrem einflussreichen Artikel »Women should stay single« zu dem Schluss, dass Singlefrauen im mittleren Lebensalter intelligenter, gebildeter, gesünder und glücklicher
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