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Liebe und Marillenknödel

Liebe und Marillenknödel

Titel: Liebe und Marillenknödel
Autoren: Emma Sternberg
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niedlich.
    » Letzten Freitag«, leiert er weiter, » wurde unsere Schwester in Christo Johanna Pichler, geborene von Hardenberg, im gesegneten Alter von 85 Jahren vor unseren Schöpfer gerufen. Ich möchte das Gedenken an unsere Schwester in Christo unter ein biblisches Wort stellen, welches zugleich ihr Konfirmationsspruch gewesen ist …«
    Die Rede ist so öde, dass Tante Johanna spätestens jetzt gestorben wäre, aus Langeweile. Ob sich die anderen auch gerade überlegen, was das süße Pfarrerlein unterm Kittelchen trägt? Ob er sich allzeit bereithält für die kleinen Ministranten? Jaaaa, okay, sorry, ich weiß selbst, dass man an Beerdigungen der Verstorbenen würdigere Dinge denken sollte, aber so leid es mir tut, irgendwie kriegt es dieser Struwwelpriester hin, dass mich die ganze Zeremonie kein bisschen berührt. Im Gegenteil. Man sollte sein tussiges Gesabbel auf Band aufnehmen und als nebenwirkungsfreie Alternative zu Baldrian-Hopfen-Tee verkaufen. Oh, pssst, Moment mal. Was redet er da?
    » … verstarb im Pflegeheim Villa Desideria in Brixen, und statt ihren Tod zu beklagen, sollten wir ihrem Schöpfer, unserem Herrn, von Herzen dafür danken, dass er ihr langes Leiden beendet hat.«
    Pflegeheim? Langes Leiden? Brixen? Meine Mutter hat erzählt, sie sei beim Wandern ausgerutscht und dabei auf einen Stein gefallen! Ich blicke zu ihr hinüber, aber sie bemerkt mich nicht, sondern schaut mit betroffener Miene in Richtung Pfarrer. Der Pfarrer stimmt ein Lied an, der Pfarrer lässt uns beten, und alle machen mit, als sei nichts.
    Für das, was meine Mutter ohne den Hauch einer Irritation » Leichenschmaus« nennt, haben wir einen kleinen Nebenraum im Alten Fährhaus in Blankenese reserviert, vor dem ein Schild mit der Aufschrift » Geschlossene Gesellschaft« unschuldige Gäste davor schützt, in der Mittagspause von einer Trauergesellschaft daran erinnert zu werden, dass sie sterblich sind.
    Ich komme als Letzte in den Raum und muss mich entscheiden, welcher der beiden verbliebenen Sitzplätze das kleinere Übel ist: Der neben meinen Eltern oder der neben meinen Cousinen. Mit Rücksicht auf meine aktuelle Lebenslüge, und darauf, wie heikel ein Sichverplappern wäre, lasse ich mich neben Lydia nieder, die sofort einen teilnahmsvollen Blick aufsetzt und mit dem anfängt, was sie am liebsten tut: angewidert meine Sommersprossen beäugen, ihren perfekten Porzellanteint nachpudern, das Schminkzeug in der Handtasche verstauen – und dann mit lustvollem Ekel in fremdem Elend stochern.
    » Na, Sophie? Was macht das Leben?«, fragt sie und greift demonstrativ verliebt die Hand von Thomas, ihrem Mann. Oh, wie ich es hasse, wenn sie mir vorführen muss, wie toll ihr Leben ist. Die beiden schauen mich an wie Afrikatouristen ein besonders mitleiderregendes Bettelkind.
    » Alles fantastisch!«, sage ich strahlend, greife in den Brotkorb vor mir, schiebe mir ein Stück Körnerbaguette ins Grinsen und überlege verzweifelt kauend, was ich sagen soll. Alles fantastisch, Jan war ein Griff ins Klo, ich bin arbeitslos und neulich musste ich mir zum ersten Mal in meinem Leben beim Friseur Strähnchen machen lassen, denn stell dir nur vor, meine schönen blonden Locken werden langsam gelblich-grau, wie eine alte Herrenunterhose? Nee, ich weiß was Besseres.
    » Und, bei dir?«, frage ich scheinheilig zurück. » Das ist doch wirklich schön, dass es bei euch endlich geklappt hat!«
    » Was hat endlich geklappt?«, fragt Lydia misstrauisch.
    » Na ja«, sage ich, wackle andeutungsvoll mit den Augenbrauen und deute mit der Nase auf das Speckwülstchen, das über den Bund ihres Röckchens hängt. Das musste jetzt einfach sein. Wenn es zwei dunkle Punkte im perfekten Leben der Zwillinge gibt, dann ihren Kinderwunsch, der sich nicht erfüllen will, und die Gene, die sie von ihrem übergewichtigen Vater haben. Ex-Vater, meine ich.
    » Was soll das heißen?« Lydia greift sich erschrocken an den Rockbund.
    Ich reiße die Augen auf, schüttle wie wild den Kopf und stammle: » Oh, das tut mir so leid! Verzeih bitte, aber ich dachte … Du sahst nur so … na ja, gesund aus … Ach, vergiss einfach, was ich gesagt hab!«
    Lydia nickt blöde, kann aber nicht verbergen, wie getroffen sie ist.
    Strike!
    Aber klar: Kaum ist Lydia zu Boden gegangen, tritt Helena in den Ring.
    » Sophie, wir müssen dir etwas erzählen. Lydia und ich wurden im Januar ins International Lawyers Network aufgenommen, als die jüngsten Frauen in der Geschichte
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