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Liebe Unbekannte (German Edition)

Liebe Unbekannte (German Edition)

Titel: Liebe Unbekannte (German Edition)
Autoren: István Kemény
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nach den fünf Typen. Na gut, vier. Einer von ihnen gehört mir.“
    Kornél und Gábor standen unweit von ihnen in der Schlange vorm Tresen. Emőke Széles war die Diskussion leid geworden. Bis jetzt hatte sie die ganze Zeit gegen sich argumentiert. In Wirklichkeit wäre es ihr lieb gewesen, wenn Emma mit dem jungen namenlosen Psychiater zusammengeblieben wäre. Das wäre für sie die sicherste Lösung gewesen. Und für das Kind in ihrem Bauch ebenfalls. Sie ließ ihren Blick im Saal wandern, in der Hoffnung, mich irgendwo zu erblicken. Zum Glück erblickte sie mich nicht, ich stand mit Schwesterchen am anderen Ende des Saals. Ich weiß nicht, was passiert wäre, wenn ich zur Hand gewesen wäre, und sie uns schnell einander vorgestellt hätte, mein Gefühl sagt mir jedoch: nichts Gutes. Ich hätte höchstwahrscheinlich nicht den Eindruck erweckt, einer der „fünf besten Männer Europas“ zu sein. Aus Emmas Brief weiß man zwar, dass sie sich auch mit einem der fünfhundert zufriedengegeben hätte, dennoch war es besser, im Stillen die paar Jahre abzuwarten, in denen Emma ihren Wünschen die zwei oder drei Nullen hinzufügte.
    „Oder weißt du was, bleib doch bei ihm! Seid unglücklich. Fresst euch gegenseitig auf.“
    „Ich habe schon geahnt, dass es dir egal ist.“
    „Du hast nur darauf gewartet, um einen Grund zu haben, beleidigt zu sein.“
    „Seid ihr denn so glücklich?“
    Das hatte Emma nicht sagen wollen. Nun hatte sie es doch. Das kränkte Emőke Széles. Allein schon, da es Kornél womöglich ebenfalls gehört hatte.
    „Warum musste das jetzt sein?“
    „Verzeih mir.“
    „Aber sag mir, warum das sein musste. Und bitte, etwas leiser.“
    „Weil ich keine Künstlerin bin“, sagte Emma und wollte gehen.
    „Geht es hier schon wieder um Künstler?“, fragte der junge namenlose Psychiater, der gerade zu ihnen gekommen und ein Bruchstück des letzten Satzes aufgeschnappt hatte.
    „Ja. Wir sprachen gerade davon, dass du kein Künstler bist“, sagte Emma barsch.
    „Ach komm, lass ihn doch endlich in Ruhe“, fuhr Emőke sie an. „Ich weiß nicht, was heute in sie gefahren ist“, sagte sie zum jungen namenlosen Psychiater. „Und jetzt möchte ich sehen, wie ihr euch versöhnt.“
    Sie zog zwei Nelkenblüten aus ihrer Tasche hervor.
    „Diese gibst du ihm. Und diese gibt er dir.“
    Der junge namenlose Psychiater übergab Emma brav die seine. Er zog für einen Augenblick in Erwägung, dabei auf die Knie zu fallen, sein Gefühl für Stil, das etwas besser als mittelmäßig war, hinderte ihn jedoch daran. Emma machte grimmig einen Knicks und übergab ihm seine Nelke nicht. Diese Art, die Sache zu regeln, entsprach in ihrem Verhältnis einer Versöhnung.
    Jetzt, da sie Emmas Schicksal mehr oder weniger geklärt hatte, zog sich Emőke zurück. Dieser Rückzug erwies sich als länger und endgültiger, als die beiden gedacht hatten: Sie suchten immer seltener den Kontakt zueinander. Emőke brauchte von nun an nicht mehr die täglich einstündige telefonische Seelsorge von Emma. Und Emma musste sich endlich nicht mehr wegen Kornél schämen.
    „Und er prasst immer noch! Und er prasst immer noch! Und er prasst immer noch!“, sang Tabaki weiterhin den Song
Verlorener Sohn
, dessen Ende noch lange nicht in Sicht war.
    Zum dritten Mal ging Emma bereits mit einer speziellen Schutzausrüstung zur Ságvári-liget. Eine Komponente dieser war vor allem die Zeit: Es waren wieder viele Jahre vergangen, und den Ort nannte man auch nicht mehr Ságvári-liget, sondern bei seinem alten Namen, Szépjuhászné, Schöne Hirtin. Ferner gehörten zu der Schutzausrüstung der Sonnenschein des späten Nachmittags, drei Kinder und ich. Mit den Kindern gab es ständig etwas zu tun, und auch das gehörte zur speziellen Schutzausrüstung. Es gab Emmas Leben Ziel und Sinn. Ich erfüllte die Funktion der Sauerstoffflasche. Sie musste nicht mehr voller Zweifel sein, da ich es war, und zwar bei allem. Wenn ich zum Himmel blickte und einen Kondensstreifen sah, dachte ich: Das ist die Schlagader der Welt! Und ich kann sie nicht berühren. Der Sonnenschein ließ mich an dessen Gegenteil denken, an die Dunkelheit, letzten Endes an den Tod. Beim Streit der Kinder dachte ich an die menschliche Rasse, aus der es kein Entkommen gab, und wenn doch, umso schlimmer. Von der menschlichen Rasse kam ich auf meine Arbeit, deren Ziel es war, diese über ein überentwickeltes Gehirn verfügende mutierte Rasse zu billigem Glück zu verhelfen (ich
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